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Wie die Orgel zu einer Schwester kam

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01.01.2016
Die grosse Orgel in der reformierten Kirche in Schleitheim feiert den 125. Geburtstag. Mit verschiedenen Konzerten wird die «alte Dame» gefeiert. Dabei erklingt meist auch die Stimme der «kleinen Schwester», der 25jährigen Chororgel. Beide Orgeln verdanken ihre Existenz einer Geschichte mit überraschenden Wendungen.

Kurz vor dem 100. Geburtstag drohte der grossen Orgel buchstäblich die Luft auszugehen. «Das Orgelwerk war in einem miserablen Zustand», erinnert sich Christoph Buff, der damalige Pfarrer von Schleitheim. Gipsstücke rieselten von der Decke in die Pfeifen, die Lederverbindungen waren brüchig und im Winter blieben die Töne hin und wieder hängen. Nach einer Besichtigung durch zwei renommierte Orgelexperten beschloss die Gemeinde, das Innere der Orgel zu ersetzen. Die Einwohnergemeinde und die Kirchgemeinde bewilligten den nötigen Kredit.
Da trat die Orgeldenkmalpflege auf den Plan. Die Orgel des berühmten Männedorfer Orgelbauers Johann Nepomuk Kuhn sei wertvoll. Sie müsse restauriert werden. «Das passte uns nicht», gesteht Christoph Buff. Der Schleitheimer Kirchenstand wollte die Eingeweide der alten Orgel ersetzen. Der Glaube an den hohen Wert der heruntergekommenen Orgel war klein. Das Instrument klang den Kirchenbesuchern zu einseitig «romantisch». Das Pedal hatte unübliche Masse, so dass Organisten-Stellvertretungen daneben trampten oder sich weigerten, in Schleitheim zu spielen. «Wir blieben also bei unserem Beschluss.»

Drohung aus Bern
Der darauf folgende Brief aus Bern hatte den Charakter einer Drohung: Wenn die Orgel nicht «in situ», also in der Kirche Schleitheim, wiederhergestellt werde, würden alle Subventionen für die ganze Kirchenrestaurierung gestrichen. Subventionen benötigte man aber für die anstehende Renovation dringend. «Das können wir uns nicht leisten», beschloss darauf der Gemeinderat. Daraus zog die Kirchgemeinde ihren eigenen Schluss. Wenn wir also Subventionen vom Bund auch für die Kuhn-Orgel erhalten, schaffen wir uns zusätzlich zur restaurierten Orgel eine Kleinorgel mit barockisierendem Klang an, war die neue Idee. «Der Gemeinderat schloss sich diesem Wunsch widerwillig an», so Christoph Buff.
Nochmals Glück hatte die Kirchgemeinde beim Bau der Kleinorgel. Weil sie nicht wollte, dass «nur ein Spielzeug mit vier Registern» angeschafft würde, pokerte sie hoch. «Der beigezogene Experte beantragte einen Wettbewerb mit der Auflage, die Orgel sollte 14 Register umfassen», sagt Christoph Buff. «Wir hielten das zwar selbst nicht für realistisch, aber für eine gute Verhandlungsstrategie.» Der Orgelbauer, der den Zuschlag erhielt, Jan de Gier, brachte das Unmögliche zustande und konstruierte die 14 Register für den beschränkten Platz. Die beiden Orgeln wurden aufeinander abgestimmt, und die kleine Orgel kann noch heute in Konzerten der ehrwürdigen Schwester Paroli bieten. Die ehemaligen Kontrahenten bei der Restaurierung zeigen sich heute in gleicher Weise glücklich über das Ergebnis.


Nächstes Konzert anlässlich des Orgeljubiläums: Chilbimusik in der Kirche Schleitheim, Sonntag, 29. April, 16 Uhr, mit Esther Bollinger und Lara Schaffner.

Barbara Helg

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