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Arnold Benz, Astrophysiker: In der Weisheit des Allumfassenden

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01.01.2016
Im Anfang war das Wort [griechisch logos], und das Wort war bei Gott, und von Gottes Wesen war das Wort alle Dinge sind durch das Wort geworden, und ohne dasselbe ist nicht eines geworden [] Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit [] Johannes 1,1.2.14

Die zitierten Zeilen stehen ganz am Anfang des Johannesevangeliums. Sie sind keine Einführung, vielmehr erscheinen sie wie ein mathematischer Satz oder eine spekulative Theo­rie, die dann im restlichen Evangelium durch die Berichte von Leben, Sterben und Auferstehen Jesu erläutert und plausibel gemacht wird. In seiner Kurzfassung deutet Johannes das Universum als Schöpfung und erklärt zugleich, was Schöpfung bedeutet: Schöpfung ist wie das Leben und Wirken Jesu. Das ist so erfrischend anders, als was man selbst heute über Schöpfung liest, dass ich bei diesem Text aufmerke wie bei einer frischen Brise an einem heissen Tag. Muss man sich auch heute so weit vom heute Üblichen entfernen, um Naturwissenschaft und Theologie in eine gemeinsame Perspektive zu bringen?
Gewiss ging es Johannes nicht um Kosmologie, wie sie die heutige Naturwissenschaft betreibt. Der Schöpfungsgedanke kommt hier fast neben­bei dazu. Johannes setzte die Ereig­nis­se um Jesu Leben, Sterben und Aufer­stehung rund siebzig Jahre später in diesen grösseren Zusammenhang. Erst in der kosmischen Perspektive werden Johannes die Ereignisse verständlich. Er bringt sie in Verbindung mit dem Entstehen aller Dinge und zeigt zugleich auf, was er unter Schöpfung versteht: Schöpferische Weisheit geht von Gott aus und bewirkt Veränderungen in der Welt.
Im Text spricht mich an, wie vom Verhältnis zwischen Gott und Welt gesprochen wird. Nicht nur Wissenschaftler sind heute versucht, das Universum als ein durch und durch rationales Geschehen zu verstehen, als eine Welt, die von reinem Zufall und strengen Gesetzen regiert wird. Wenn überhaupt, sehen nicht wenige Gottes Handeln nur in unerklär­lichen Naturer­scheinungen, zum Beispiel im Urknall. Genau das macht aber der Text nicht. Gott ist nicht in den Lücken einer kausalen Welt­erklärung zu finden, sondern in der Weisheit des Ganzen. Die Grunderfahrung von Gott lässt sich nicht im Beobachten von Naturerscheinungen machen. Der Grund, von Gott zu reden, ist nicht ein vermeintlich beweisbarer Plan in der Entwicklung von Lebewesen.
Selbst wenn es um den Kosmos geht, geschieht dies vielmehr in der Erinnerung an einen Menschen, an Jesus. Beeindruckend ist hier, dass es nicht Erinnerungen sind an sein vielleicht beeindruckendes Äusseres, auch nicht an seine Taten (häufig waren es Erzählungen von Wundern), sondern an seine Worte. In diesen Worten hat Johannes eine transzendente Weisheit erfahren. Sie haben sein Leben geprägt. Auf dieser Wahrnehmung gründet Johannes seine Sicht der Welt. Eigentlich eine total verrückte Art, eine Kosmologie zu entwickeln! Sie ist so ganz anders als die naturwissenschaftliche Kosmologie, weil sie einen ganz anderen Ursprung, nämlich eine andere Erfahrungsebene hat. Im Unterschied zur naturwissenschaftlichen Kosmologie, die physikalisch-mathematisch erklären will, hat Johannes das Universum bildhaft gedeutet.


Serie: Texte aus dem Buch «Was der Mensch braucht, Schweizer Persönlichkeiten über einen religiösen Text in ihrem Leben», Achim Kuhn (Hg), TVZ

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