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m Thema Sex und Sitte

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01.01.2016
Einblicke ins nicht immer ganz sitt­liche Liebesleben vergangener Tage gewährt der neue Stadtrundgang «Ein Blick durchs Schlüsselloch». Auch unkeusche Nonnen und Mönche bekommen ihr Fett ab.

Verschämt steht eine junge Frau vor dem Basler Richter in Talar und weisser Perücke. Es ist Susanna R. aus Gelterkinden, die 1857 wegen Prostitution in Basel angeklagt worden ist. Wir stehen auf der Pfalz, einem der Orte, wo vor hundert Jahren die Prostituierten mit ihren Freiern zusammenkamen. Andere Treffpunkte befanden sich vor den Stadttoren, wie Susanna R. schildert. Von ihr erfährt das staunende Publikum auch, dass die Polizisten gerne den Dienst der Prostituierten für ihr Schweigen erkauften. «Zu arbeiten gibt es nichts, stehlen darf man nicht, betteln auch nicht und huren auch nicht,» sagt die offensichtlich von Armut betroffene Frau am Ende resigniert. Doch der Richter kennt keine Gnade.
Solche szenischen Darbietungen sind typisch für die Frauenstadtrundgänge. Auf spannende und anschauliche Weise werden so Ergebnisse aus der Frauen- und Geschlechterforschung einem breiten Publikum vermittelt. Mit genau diesem Ziel ist der Verein Frauenstadtrundgang Basel 1990 gegründet worden. Seither haben Studentinnen und junge Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Fachrichtungen wie Geschichte, Kunstgeschichte, Gender Studies und Theologie über 40 unkonventionelle thematische Stadtspaziergänge erarbeitet. Die Informationen müssen oft aus Archiven zusammen getragen werden. Das so erworbene Wissen wird dann in gut verständliche Sprechtexte gegossen, wodurch es für einmal dem universitären Rahmen entwischen kann. Aktuell im Programm stehen Rundgänge über Musik, «Spyys und Drangg» und Hexen in Basel. Mit den Rundgängen in Liestal und der Ermitage Arlesheim macht der Frauenstadtrundgang auch Ausflüge aufs Land. Neben szenischen Einlagen werden dem Publikum auch historische Bilder und Akten präsentiert, sowie sinnliche Erlebnisse geboten etwa in akustischer oder kulinarischer Form. Auf den Spaziergängen wird das Publikum möglichst an Originalschauplätze geführt, was dem Erzählten eine zusätzliche Anschaulichkeit verleiht.

Unkeusche Mönche und Nonnen
Abgesehen von der Pfalz führt der Sex- und Sitte-Rundgang auch zum Rathaus, zum Münster, zur Martinskirche und zum Rheinsprung. Unterwegs erfährt das Publikum mehr über unkeusche Nonnen und Mönche und wirft einen Blick ins Hinterzimmer eines Zigarrenladens, wo Lina B. ihr «anrüchiges» Geschäft betrieb. Welches, das sei hier noch nicht verraten. Der Rundgang endet mit einem Ausblick in die Gegenwart. Wie das eingangs erwähnte Beispiel zeigt, wurde und wird Sexualität oft kriminalisiert. Diese enge Verknüpfung bildet darum den roten Faden durch den Rundgang und wird auch anhand von Abtreibung, Kindsmord und strengen Sittengesetzen aufgezeigt.
Ist dies ein Rundgang nur für Frauen, wie der Name vermuten lässt? Mitnichten! Der Verein Frauenstadtrundgang Basel freut sich auch über Männer und alle anderen, die einen Blick durchs Schlüsselloch auf Basels «unverschämte Töchter» werfen möchten.


«Ein Blick durchs Schlüsselloch. Sex und Sitte im historischen Basel»:
Mittwoch, 18. Juli, 18 Uhr
Sa, 18. August, 14 Uhr
Treffpunkt Rheinsprung 16, 90 Min.

Nadja Müller, Koordinatorin Verein Frauenstadtrundgang Basel

Links:
www.frauenstadrundgang-basel.ch

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