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«Es kann jeden und jede treffen»

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01.01.2016
Alles spricht über die hohe Staatsverschuldung. Doch auch mehr und mehr Private stehen vor dem finanziellen Ruin. Die Schuldenberatungsstelle Aargau Solothurn ist oftmals die letzte Anlaufstelle.

Auf dem Tisch liegt neben dem Taschenrechner eine Packung Kleenex-Tücher. Das sei Zufall, erklärt Barbara Zobrist. «Das hat nichts mit vergossenen Tränen zu tun.» Trotzdem, hier in der Schuldenberatungsstelle Aargau Solothurn kommen Fakten auf den Tisch, die wenig Anlass zur Freude geben. Mit Information, Beratung, Planung, Coaching und Prävention hilft die Beratungsstelle den Betroffenen, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen.
Die roten Zahlen schlagen sich nicht nur im Budget nieder. Gerät jemand in die Schuldenspirale, so bekommt seine ganze Existenz Schieflage. Die finanziellen Probleme belasten die Familien. Meist leiden sie auch unter dem psychischen Druck, dem Stress und der Ausgrenzung, erzählt die Stellenleiterin. Mit den Schulden nehmen die gesundheitlichen Probleme und Spannungen in der Partnerschaft zu.

Sämtliche Altersgruppen betroffen
Die Zahl der Verschuldeten ist gross: Gemäss einer Erhebung des Bundesamts für Statistik lebten im Jahr 2008 in der Schweiz 570'000 Personen mit erheblichen Kontoüberzügen oder Zahlungsrückständen. Das schlägt sich auch in Aargau und Solothurn nieder. Im letzten Jahr suchten rund 340 Personen die Beratungsstellen in Aarau oder Grenchen zu einem Erstgespräch auf. Bei den Zweigstellen in Dorneck und Thierstein waren es 42 Ratsuchende. Gesamthaft betrug der Schuldenberg, der in der Schuldenberatungsstelle Aargau Solothurn im letzten Jahr auf den Tisch kam, 33,3 Millionen Franken.
So die Zahlen, hinter denen sich Enttäuschungen, zerbrochene Träume und schlaflose Nächte verstecken. Die Überschuldungsproblematik zeigt sich in allen sozialen Schichten. Die Klientel von Barbara Zobrist erstreckt sich über sämtliche Altersgrupppen: Senioren, Väter und Mütter sowie Jugendliche. «Es kann jeden und jede treffen», erklärt Barbara Zobrist.
Der finanzielle Abstieg geschieht oftmals in kritischen Lebenssituationen. Während einer Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Krankheit. Kinder kommen auf die Welt und belasten das knappe Budget der Familie. Die Frau trennt sich und das Geld muss für zwei Haushalte reichen.
Hinzu kommt vielleicht eine Glückspiel- oder Kaufsucht oder die Fehleinschätzung der eigenen Finanzen. Eine junge Familie erfüllt sich den lang gehegten Wunsch des Traumhauses. Kurz darauf verliert der Vater die Stelle und die Zinsen drücken schwer. Oder: Um der Arbeitslosigkeit zu entkommen, macht sich ein Handwerker selbstständig. Er setzt dazu seine Pensionskasse ein. Kurz darauf erkrankt er und kann nicht mehr arbeiten. Zurück bleiben ein Schuldenberg und die Zwangsverwertung des Hauses. Zobrist kennt viele solche Schicksale.
Die Schuldenberatungsstelle Aargau-Solothurn hilft da, Klarheit zu erlangen. In einem ersten Schritt machen Barbara Zobrist und ihre Mitarbeiter mit dem Ratsuchenden zusammen eine umfassende Analyse und erstellen einen individuellen Budget- und Zahlungsplan. Sie stellen die monatlichen Kosten den Einnahmen gegenüber und klären gemeinsam ab, ob die Sanierung realistisch ist.
Die Schuldenberater prüfen, ob ihr Klient allenfalls weitere Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen kann und ob die Forderungen berechtigt sind. Häufig benötigen die Betroffenen Informationen, etwa wie sie mit den Behörden und Gläubigern auf dem Weg zur Schuldenfreiheit umgehen. Die Schuldensanierung sieht als Zeithorizont drei Jahre vor. «Für die Betroffenen bedeutet dies eine Rosskur», meint Barbara Zobrist.

Mit Jugendlichen über die Ausgaben reden
Unter 25-Jährige kämen eher selten zur Beratung, erzählt Barbara Zobrist. Die Beratungsstelle versucht, Jugendliche und junge Erwachsene gezielt durch Prävention zu erreichen, sei es in der Schule oder im Konfirmandenunterricht.
Barbara Zobrist hat die Erfahrung gemacht, dass viele Jugendliche keine Ahnung haben, was das Leben kostet. Sie empfiehlt den Eltern, mit ihren Kindern über die realen Lebenskosten zu sprechen und zu zeigen, was die Versicherungen, Steuern, Mieten und das Auto oder das Essen kosten. «Der Umgang mit Geld will gelernt sein», meint Zobrist.
Gerade das fällt vielen heute schwer: Kreditkarten, Kundenkarten und Abzahlungsverträge verleiten dazu, etwas zu kaufen, das man sich nicht leisten kann. «Kaufe jetzt, zahle später», lautet der Werbeslogan, der verspricht, man könne jeden Wunsch sofort verwirklichen. Gerade Jugendliche, die aus der Lehre kommen, werden in den letzten Jahren stark beworben.
Hinzu kommt, dass das Geld immer unsichtbarer wird und als konkretes Zahlungsmittel allmählich aus dem Alltag verschwindet. Kreditkarten, E-Banking und Daueraufträge haben seine Funktion übernommen. «Auch wenn dies eine grosse Erleichterung bedeutet, so nimmt die Gefahr zu, dass man die Übersicht über seine Finanzen verliert», erklärt Barbara Zobrist. Das spiegelt sich auch in den Zahlen: 84 Prozent der Haushalte, welche die Schuldenberatungsstelle Aarau im letzten Jahr beriet, hatten Steuerschulden, 54 Prozent konnten die Kredite nicht zurückzahlen und 40 Prozent hatten offene Rechnungen bei der Krankenkasse.


Adressen
Schuldenberatung AargauSolothurn
Effingerweg 12,

Postfach 2753,

5001 Aarau,


Telefon 062 822 82 11, Montag bis Donnerstag, 8.30 bis 13 Uhr

Frauenzentrale Solothurn
Budgetberatung
Telefonische Terminabsprache für eine ­persönliche Beratung Dienstag, Mittwoch, Donnerstag Morgens, 9.3010.30 Uhr,
Tel. 079 796 15 45, E-Mail: budgetberatung @ frauenzentrale-so.ch

Tilmann Zuber

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