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Der Einsiedler ist aus dem Wald zurück

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01.01.2016
Während Monaten lebte Patrick Schwarzenbach als Eremit in einem Wald bei St. Gallen. Wie sein legendärer Vorläufer Gallus suchte er Einsamkeit und Stille und löste einen Medienrummel aus.

Autos brausen vorbei. Passanten hetzen auf den Bahnhof. In der Hektik des Berufsverkehrs steht Patrick Schwarzenbach und blinzelt in die Sonne. Ruhig, gelassen. Ihn scheint der Verkehrslärm nicht zu stören. Drei Monate lang lebte er als Einsiedler in einem Wald, eine Wegstunde weit entfernt von St. Gallen. So wie es vor 1400 Jahren sein berühmter Vorläufer, der Mönch Gallus getan hatte. Der irische Mönch gilt als Gründer des Klosters und der Stadt St. Gallen.

Holz sammeln und meditieren
Am Anfang stand zunächst eine verrückte Idee, erzählt der 28-jährige Theologe. Freunde fanden das Projekt spannend, befürchteten jedoch, dass er sich verändern würde. «Für meine Freundin war es schlimmer», gesteht Patrick Schwarzenbach. «Für sie bedeutete das Dasein als Eremit eine zeitweise Trennung.»
Für drei Monate hauste Patrick Schwarzenbach unter einer Plache neben einer kleinen Holzhütte, die ihm die Stadt zur Verfügung gestellt hatte. In der Hütte lagerte er seine Kleider, Bücher und den Proviant, sicher verstaut vor dem Dauerregen und den Wildtieren. Daneben stand ein Toi-Toi-WC. Auch für postmoderne Eremiten gibt es gesetzliche Auflagen.
Der Jungpfarrer stand um 7 Uhr auf, meditierte eine Stunde lang, las in der Bibel, suchte Holz für das Feuer und kochte. Am Nachmittag kamen oft Besucher zum Gespräch. Manche einfach aus «Gwunder, weil sie da­rüber in der Zeitung gelesen hatten».

280 Besucher
Schwarzenbach suchte die Einsamkeit im Walde, doch er wurde zum Besuchermagnet und Medienspektakel. 280 Leute besuchten ihn in den drei Monaten. «Das Leben im Wald löst bei vielen eine Sehnsucht nach Freiheit und Ursprünglichkeit aus», sagt Schwarzenbach. Die Besucher berichteten ihm aus ihrem Leben und von ihren Problemen mit ihrer Frau oder vom Tod der Tochter. Schwarzenbach fühlte sich bald einmal überfordert, da Ratschläge zu erteilen.
Das Medienecho war ebenso riesig. Mehr als zwanzig Zeitungen berichteten über Patrick Schwarzenbach, den «Gallus 2012». Den medialen Höhepunkt bildete der Auftritt bei «Aeschbacher». Wie es war? Heiss sei es im Studio gewesen, sagt Schwarzenbach lakonisch.
Vielleicht ist dies die Bescheidenheit, die Schwarzenbach als Einsiedler gelernt hat. Im Wald liess er die Annehmlichkeiten des Alltags zurück, das Morgenessen mit Kaffee, die Möglichkeit, Freunde oder die Freundin zu treffen oder Bücher auszuleihen. Patrick Schwarzenbach erlebte, wie wenig man zum Leben braucht. In der Stille begegnete er seinen Sorgen und Ängsten. Er merkte, was ihm wichtig ist, etwa die sozialen Kontakte, die Ruhe und die Freiheit, seinen Tag zu gestalten. Seine Freundin sagte, er sei in diesen drei Monaten «ernsthafter und griffiger» geworden.
Der Theologe empfiehlt anderen, etwas zu unternehmen, um sich selber zu finden, etwa alleine auf Reisen zu gehen oder sich Zeit für einen Aufenthalt in einem Kloster oder für die Stille zu nehmen. Wichtig wurde Patrick Schwarzenbach auch der Humor. Er war froh, wenn die Leute über seine Aktion gelächelt haben. Es brauche ein Augenzwinkern, sonst werde es dogmatisch und selbstgerecht. Das will sich der Pfarrer nicht anmassen.

Tilmann Zuber

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