Eine Chance für Laien
Herr Fehle, die Schaffhauser Kirche zieht Sie als Berater und Moderator von aussen für die Strukturreform bei. Ist es ein Unterschied, ob sich eine Kirche reorganisiert oder eine säkulare Organisation?
In der Kirche kann nicht einfach modernisiert werden ihr Vorgehen und ihre Botschaft dürfen sich nicht widersprechen. Mir gefällt, wie die Schaffhauser Kirche auch beim Sparen als Kirche erkennbar bleiben. Sie wählte einen Weg, bei dem alle Gemeinden bedenken müssen, wie sie ihr Kirchesein unter den neuen Umständen weiterentwickeln. Dahinter steht die biblische Erkenntnis, dass die Last nicht nur schwächeren Gliedern aufgebürdet werden darf, sondern dass Schwierigkeiten miteinander bewältigt werden.
Sie kennen andere Prozesse in anderen Kantonalkirchen?
Zur Zeit müssen alle Kantonalkirchen sparen, aber sie gehen es sehr unterschiedlich an. Einige versuchen, den Prozess von oben zu programmieren, sie wollen zum Beispiel Normgrössen für Kirchgemeinden festlegen und werden Zwangsfusionen auslösen. Dagegen wird die Schaffhauser Kirche auch im Sparen als reformierte Kirche erkennbar bleiben, die sich von den Gemeinden her aufbaut.
Was ist die grösste Herausforderung für die Kirchgemeinden?
Der Schaffhauser Prozess setzt auf die Kommunikation: in den Kirchgemeinden und zwischen ihnen. Das ist nicht nur einfach. Ausserdem erfolgt die Reform unter Zwang.
Warum ist das schwierig?
Die Gemeinden sehen sich zu Schritten gezwungen und sollten dennoch positiv an sie herangehen. Das Resultat soll ja nicht ein Krampf sein. Der Prozess gelingt, wenn es trotz Spardruck möglich wird, in Zukunft unser Anliegen noch besser zu leben.
Besonders schwierig ist die Lage für die Pfarrpersonen: Sie sind zu einer persönlichen Standortbestimmung gezwungen, die sie lieber nicht auf Druck von aussen vornehmen möchten. Ich hoffe, dass sie dies trotzdem nicht nur als Last, sondern auch als Chance auffassen können.
Wie sieht Ihre Rolle als Berater in den kommenden Monaten aus?
Mein Einsatz richtet sich nach dem Bedarf. In Absprache mit der Strukturkommission bereite ich zur Zeit erwachsenenbildnerisches Werkzeug vor, mit dem die Kirchgemeinden unter Einbezug möglichst vieler Kirchgemeindemitglieder eine Standortbestimmung vornehmen können. Danach können die Kirchenstände mit einem Fragebogen überprüfen, ob etwas Wichtiges übersehen wurde. Inzwischen haben sich erste Kirchgemeinden bei mir gemeldet.
Es sind 30 Kirchgemeinden. Da kommt viel Arbeit auf Sie zu.
Wir klären in einem Erstgespräch ab, was die Gemeinde braucht und überlegen, ob die Schritte ohne oder mit Moderation von aussen, mit mir oder einer anderen Begleitperson erfolgen sollen. Wir bereiten auch eine Liste mit Personen vor, die sich für Begleitungen und für die Vermittlung von Konflikten bereit halten.
Nicht alle Gemeinden sind von den Einsparungen gleich stark betroffen. Warum soll die Standortbestimmung für alle gleich wichtig sein?
Mit neuen oder revidierten Pastorations-Gemeinschaften verändert sich für alle Beteiligten etwas: bei den einen wird das Einsatzgebiet der Pfarrperson grösser, bei anderen das Arbeitspensum kleiner. Das hat Folgen, die nur aufgefangen werden können, wenn sich Gemeindemitglieder engagieren. Praktisch nirgends wird es bleiben, wie es ist.
Wie finden zwei Gemeinden zusammen?
Ich sehe Pastorations-Gemeinschaften als geordnete, ein Stück weit verdichtete Nachbarschaftsverhältnisse. Auf dem Land gehen Nachbarn vorsichtig und zurückhaltend miteinander um. In der Not aber sind sie füreinander da.
Auch die ersten Christengemeinden können uns inspirieren. Da trafen gleichfalls ganz unterschiedliche Charakterköpfe aufeinander. Die Paulus-Briefe sind voll von hilfreichen Beispielen, wie er verschiedene, auch gegensätzliche Gruppen für ein Miteinander gewinnen wollte.
Pfarrerinnen und Pfarrer stehen weniger Stellenprozente zur Verfügung. Kann da überhaupt Positives entstehen?
Deutlich wird, dass die Kirche nicht als Angebotskirche von Professionellen bestehen kann. Da können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche noch so abmühen und manche haben es bis zum Burnout ja getan sie werden nicht jedem sein ganz persönliches Angebot machen können. Gemeinde lebt vom Gefühl der Zugehörigkeit und davon, dass ich das auch ausdrücke. Daran müssen wir arbeiten.
Sie sind auch geistlicher Begleiter. Was ist eigentlich «geistlich» an einer Strukturreform?
Die Art, wie eine Kirche eine solche Reform vollzieht, zeigt, ob sie «geistlich» unterwegs ist: als ganzer Leib, im Gespräch miteinander, in respektvoller nachbarschaftlicher Nähe und Distanz; einzelne Menschen und das Menschliche nicht überschätzend, niemanden erdrückend, bittend um Gottes Leitung und Segen.
Auftaktveranstaltung am 3. Januar für Delegierte aus Kirchenständen.
Barbara Helg