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Talar statt Nadelstreifenanzug

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01.01.2016
Hans Weber tauschte den Chefsessel gegen Pfarrhaus und Kanzel. Der 49-jährige ehemalige Marketing-Chef der Rigi-Bahnen trat vor kurzem seine erste Pfarrstelle in Sempach an.

«Hochzeiten und Beerdigungen sind eine tolle Markt-Chance für den Pfarrer: Dorthin kommen viele Menschen, die sonst nicht zur Kirche gehen. Gehen diese berührt heim, ändert sich vielleicht auch ihre Einstellung zur Kirche». Der dies hofft, ist Hans Weber, seit Dezember reformierter Pfarrer im luzernischen Sempach und bis vor acht Jahren Marketing-Chef der Rigi-Bahnen. «Mein betriebswirtschaftliches Denken blitzt einfach immer mal wieder hervor», gibt der 49-Jährige schmunzelnd zu.

Kein Erweckungserlebnis
Mit 41 Jahren entschied sich Hans Weber für einen ungewöhnlichen beruflichen Neuanfang. Der studierte Betriebsökonom, der über SBB und Suva in die Geschäftsleitung der Rigi-Bahnen kam, beendete seine Karriere in der Wirtschaft und begann, Theologie zu studieren. «Es gab dafür kein paulinisches Erweckungserlebnis, keinen «Jetzt-reichts-Vorfall», erzählt Weber. Schon lang habe er aber eine Sehnsucht nach mehr Tiefgang und Lebenssinn verspürt: «Die Fragen nach dem Woher und Wohin, nach dem Sinn des Lebens, rückten immer mehr in den Vordergrund. Diese Seite von mir kam bei meinem Kader-Job aber wenig zum Einsatz.»

Domizil auf dem Campingplatz
Auch für Webers Ehefrau und Tochter bedeutete der Entschluss des Familienvaters grosse Veränderungen. «Ich bin sehr froh, dass meine Familie meinen Weg immer mitgetragen hat», sagt der Pfarrer. Um wenigstens ein festes Einkommen zu haben, begann Ehefrau Luzia wieder zu arbeiten. Ein halbes Jahr lang lebten die Webers mit Tochter Nina sogar in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz. «Unsere Wohnung mit Seeblick in Vitznau hatten wir schneller gekündigt, als dass wir eine neue, günstigere Wohnung in der Luzerner Agglomeration gefunden hatten», erklärt Weber. «Für Ninas Kindergartengespänli war das natürlich die Attraktion.»
So wurde die siebenjährige Studien- und Vikariatszeit eine Bewährungsprobe für die ganze Familie. «Das ständige Pendeln an die Basler Universität war anstrengend. Auch wenn die Berufsaussichten für Theologen gut sind, stand ich unter dem Druck, es in meinem Alter auf jeden Fall schaffen zu müssen», erzählt Weber. Nach der absolvierten Ausbildung ist bei Hans Weber die Freude auf die erste «eigene» Pfarrstelle deutlich spürbar. «Mit meiner Biographie bin ich hoffentlich für die Menschen glaubwürdig», wünscht er sich.
Würde er einen solch radikalen Richtungswechsel im Leben auch seinen Gemeindemitgliedern empfehlen? «Es muss ja nicht immer gleich die Kündigung des Jobs sein, auch kleinere Veränderungen können beflügeln. Als Pfarrer möchte ich aber Mut machen, zu neuen Horizonten aufzubrechen. Ich wünsche mir, die Menschen wären weniger befangen. Was nützt dir der Spatz in der Hand, der vor Angst fast erdrückt wird? Dann schaue ich doch lieber nach der Taube auf dem Dach», so der Theologe.
«Für mich hat sich das Abbiegen an der Lebenskreuzung gelohnt», fasst Weber seine Erfahrungen zusammen. Als Fan der Filme von Indiana Jones sieht er seinen Neuanfang als Gemeindepfarrer darum auch ein wenig als Abenteuer: «Und das fängt jetzt erst richtig an.»

Annette Meyer zu Bargholz

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