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«Ich kann mir die Welt ohne Gott nicht vorstellen»

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01.01.2016
Der Liedermacher Andrew Bond begeistert wie kaum ein anderer Kinder und Jugendliche fürs Singen. Zum Reformationsjubiläum möchte er ein Reformations-Musical produzieren.

Andrew Bond, haben Sie ein Lieblingslied?
Viele Lieblingslieder zu haben ist besser als nur eines! Ich liebe die englischen Weihnachtslieder, Christmas Carols, zum Beispiel «O little town of Bethlehem». Oder jetzt, im Frühling, «Morning has broken like the first morning».

Was lieben Sie daran?
Sie haben ganz einfache, wunderschöne Melodien. Die Texte schöpfen aus dem Alltag.

Sie bringen mit Ihren eigenen Liedern Kinder und Erwachsene zum Singen. Warum singen Sie so gerne?
Als Kind eines musikalischen und kirchlich engagierten Lehrerpaares habe ich das Singen quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Singen ist die Muttersprache der Seele.

Die Muttersprache der Seele?
Ich war Religionslehrer auf der Oberstufe. Bei ernsten Themen im Unterricht oder bei Streit fiel mir auf, dass sich die Kinder meist sehr sachlich ausdrückten. Aber beim Singen kam es vor, dass ein Kind plötzlich in Tränen ausbrach. Man weiss auch aus der Betreuung von dementen oder behinderten Menschen, dass Musik in ganz andere Schichten der Existenz eindringen kann.

Kann denn jeder singen?
Ja. Ich bin ein erklärter Anwalt des «musikalischen Breitensports». Ich vergleiche das mit dem Junioren-Fussball. Dort geht es, ausser um Fussball, um soviel andere Sachen: Teamfähigkeit, Freundschaft, sich einordnen, anständig verlieren können.... Beim Singen ist das genau gleich. Es geht nicht um die musikalische Perfektion. Das haben die Kirchen noch zuwenig entdeckt.

Wieso?
Hier herrscht oft ein hoher musikalischer Perfektionsanspruch. Dabei wäre es wichtig, dass die Leute im Gottesdienst gerne selber Musik machten. Ich bin in Afrika und England aufgewachsen, da hatten wir keine Profimusiker in der Kirche. Ich habe schon als Achtjähriger in Gottesdiensten mitgespielt.

Machen das die Freikirchen besser?
Ja und nein. Wenn Profis fehlen, wird mehr selber musiziert. Umgekehrt schätze ich die musikalische Spitzenqualität, die man von Profimusikern eher bei den Landeskirchen hören kann.

Die Landeskirchen kämpfen gegen sinkende Mitgliederzahlen. Sind sie in einer Krise?
Ich glaube nicht, dass es heute soviel weniger Herzenskirchgänger gibt als früher. Früher ging man einfach aus Konvention. Bei meinen Auftritten treffe ich sowohl bei Landes- wie bei Freikirchen auf sehr viel lebendige Arbeit mit Kindern. Die reformierte Kirche muss sich der Situation stellen, dass sie nicht mehr «der einzige Laden im Dorf» ist: die Leute suchen sich selber aus, wo sie dazugehören möchten.

Was kann die Kirche verbessern?
Mehr Männer bei der Kinderbegleitung in Unterricht und Gottesdienst würden gut tun.Fähige Leute müsste man besser honorieren. Sonst setzen sie ihre Talente anderswo ein.

Inwiefern?
Wenn ein Musikstudent für einen Drittklass-Unti-Gottesdienst spielt und einen Kinogutschein dafür erhält, aber bei einer privaten Geburtstags­party 200 Franken, zieht er seine Schlüsse. Eigentlich müsste, wie zu Bachs Zeiten, der beste Musiker für die Kirche Musik schreiben wollen. Der beste Jugend­animator müsste sich auf das Kirchenlager freuen. Das schaffen wir nicht nur mit monetären Anreizen, aber auch.

Wie kann man Jugendliche heranziehen?
Es gibt so viele, die sich in Pfadi und Cevi engagieren Die meisten machen auch noch ein wenig Musik. Warum nicht diese heranziehen? Die Leute sagen immer, Teenager singen nicht gerne. Das ist nicht wahr. Man muss sie richtig abholen.

Können Sie mit traditioneller Kirchenmusik etwas anfangen?
Viel. Das Kirchengesangbuch war beste musikalische Schule für mich. Im alten Gesangbuch war aber der Durchschnitt der Lieder über 200 Jahre alt. Da fehlte mir etwas.

Kann man junge Menschen mit traditionellen Liedern nicht abholen?
Nur sowohl als auch. Ich habe in der Schule an Weihnachten «Dona nobis pacem» gesungen. Aber zuerst ein, zwei Popsongs.

Verkaufen sich ihre religiösen CDs gut?
«Himmelwiit», die erste CD mit ausschliesslich religiösen Liedern, ist eine sehr stabile Longsellerin. Aber auch auf «Zimetstern» gibt es religiöse Lieder. Das Religiöse gehört für mich zum Alltag. Kinder machen da auch keine Trennlinie.

Was heisst das?
Wenn ich die Schöpfung und die Menschen betrachte, kann ich einfach nicht glauben, dass dies ohne Gott möglich ist. Mich beeindruckt die Person von Jesus. Nur dogmatische Überhöhungen sind für mich schwierig. Für mich soll Glaube ins Alltagsleben einfliessen.

Haben Sie, wie die Kids, auch Fragezeichen?
Ein grosser Teil der Kunst des Glaubens ist das Aushalten der schrecklichen Erlebnisse und von Ungerechtigkeiten. Manche sagen dann: das hat alles Platz in Gottes Plan. Das kann ich nicht. Letztes Jahr sang ich an einer Beerdigung eines Fünfjährigen. Wie hätte ich da sagen können: Das verstehen wir zwar nicht, aber es hat alles einen Sinn.

Wie behandeln Sie solch schwere Themen mit Kindern?
Man muss die richtige Art und Weise finden. An der Kinderbeerdigung habe ich das Lied «Trääne und Truur» gesungen. Ich glaube, es holt in diesem Moment wirklich die Leute ab, auch die Kinder. «Oisi Träne und Truur sind en Teil vo de Spur, wo vom Läbessinn verzellt () vo all dem, wo im Läbe zellt».

Sie haben Theologie studiert, sind aber nie Pfarrer geworden. Warum eigentlich?
Ich war glücklich als Oberstufenlehrer und bin in die Konzert- und Theaterarbeit einfach hineingerutscht. Manchmal würde ich gerne eine Pfarrstelle übernehmen. Das Mitleben mit den Leuten über längere Zeit würde mich reizen.

Gibt es ein Projekt, das Sie gerne mit der Kirche durchführen würden?
Ich würde zum Beispiel wahnsinnig gerne 2019, wenn 500 Jahre Reformation gefeiert wird, ein reformiertes Musical machen zum Thema Zwingli, Kirche und Musik. Zwingli wollte ja ursprünglich die Musik im Gottesdienst verbieten.

Dieses würden Sie als «Breitensport-Musical» gestalten?
Natürlich. Meine Vorstellung wäre, dass ein paar Kirchgemeinden zusammen ein Profiensemble abrufen könnten, das vor Ort kommt und mit einem dortigen Ad-hoc-Chor etwas vorbereitet. Man könnte auch eine Art Wettstreit verschiedener Kirchenmusiken inszenieren: Gospel, Bachkantaten und so weiter und so zeigen, dass bei uns alles Platz hat. Es wäre wunderschön, mit allen Zuschauern eine einfache Bachkantate zu singen.





Vielseitig und sehr Erfolgreich
Andrew Bond zählt heute mit über 500'000 verkauften Tonträgern zu den erfolgreichsten Musikern und Kinderliedermachern der Schweiz. Einige seiner CDs wie «Zimetschtern han i gern» haben sich zu Klassikern entwickelt. Im Bereich Kinderkirche sind die CD «Himmelwiit» und die im letzten Herbst erschienene CD «Rägeboge­-
ziit» sehr beliebt. Bond gibt über 100 Konzerte pro Jahr, auch in vielen Kirchgemeinden. Meist sind sie ausverkauft. 2012 übernahm er das «Gastspieltheater Zürich» und unter seiner künstlerischen Leitung ging es als «MärliMusicalTheater» vergangenen Winter mit «Dornrösli» auf Tournee.

Interview: Barbara Helg

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