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Kirchenrat: Mehr als Traktanden und Geschäfte

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01.01.2016
Die Kirchenräte Vreny Rhinow, Helene Winkelmann und Pfarrer Christoph Herrmann treten zurück. Sie erzählen von den Hochs und Tiefs ihrer Amtszeit.

Am 6. Juni wird die Synode Pfarrer Christoph Herrmann, Vreny Rhinow und Helene Winkelmann verabschieden. Die beiden Frauen engagierten sich acht, ihr Kollege sechs Jahre lang im Kirchenrat. Für die Kirche aktiv sind sie aber viel länger. Auf insgesamt 40 Jahre Mitarbeit in kirchlichen Ämtern blickt Helene Winkelmann zurück: zwölf Jahre Kirchenpflege und 20 Jahre Synode, davon als erste Frau in der Baselbieter Kirche 13 Jahre als Präsidentin: «Ich musste auf eine Nachfolge pochen. Denn zu jener Zeit wollte niemand das Amt übernehmen», erinnert sie sich. Vreny Rhinow präsidierte während sieben Jahren den Vorstand der Offenen Kirche Elisabethen, bevor sie in den Kirchenrat gewählt wurde. Christoph Herrmann arbeitet seit langem als Gemeindepfarrer im Baselbiet: seit 2005 in Oberwil und davor 15 Jahre in Reinach. Die Zeit im Kirchenrat sei spannend und bereichernd gewesen, doch nun möchte er sein Arbeitspensum «etwas herunterfahren».
Für Vreny Rhinow und Helene Winkelmann war das Alter ausschlaggebend für den Rücktritt. Die zwei Frauen möchten sich ihr Leben nicht mehr von einem festen Terminkalender diktieren lassen. Trotzdem werde sie wohl die Montagssitzungen des Kirchenrats vermissen, so Vreny Rhinow: «Das gemeinsame Nachdenken, die Diskussionen, die Hingabe für eine Idee und das Engagement für Verbesserungen überall sind mir Menschen begegnet, die sich für ihre Aufgabe mit Leib und Seele engagieren.» Auch Christoph Herrmann wird diese Sitzungen nicht vergessen, «an denen trotz der Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit der Traktanden immer wieder herzhaft gelacht wurde».

Bleibende Erlebnisse
Als «Ereignis mit grosser Ausstrahlung» sieht Christoph Herrmann die von der Synode gutgeheissene Vorlage, die die Stellung und Aufgaben der kirchlichen Mitarbeitenden regelt. Das Thema hat den Kirchenrat in den letzten Jahren besonders beschäftigt. Die ökumenische Synode mit den Katholiken im Jahr 2000, an der die Theologen Jan Milič Lochman und Hans Küng auftraten, nennt Helene Winkelmann als ein bleibendes Erlebnis. Die ökumenische Zusammenarbeit zählt auch Vreny Rhinow zu den Höhepunkten ihrer Tätigkeit: «Wichtig ist mir die Erkenntnis, dass immer und überall grenzüberschreitende Lösungen nur mit Menschen erreicht werden können, die sich vertrauen.»
Natürlich erlebten die Zurücktretenden auch weniger Angenehmes. Helene Winkelmann denkt an Probleme in den Kirchgemeinden. Obwohl sie wisse, dass auch in der Kirche «nur gewöhnliche Menschen» am Werk seien, hätte sie sich doch bisweilen eine besonnenere Konfliktbewältigung gewünscht. Als unerfreulich erlebte Christoph Herrmann die Sparübungen. Bedingt durch die finanziellen Herausforderungen habe in der Kantonalkirche aber auch eine Rückbesinnung auf das Wesentliche der kirchlichen Arbeit stattgefunden. Es ist ihm bewusst, dass damit für viele Mitarbeitende ein schmerzhafter Wandel verbunden sei. Doch die Diskussionen in der Synode, den Kirchgemeinden und Konventen hätten zu breit abgestützten Entscheidungen geführt: «Besonders bleibt mir die Erkenntnis, dass die Kantonalkirche und die Kirchgemeinden ­einander bedingen und für eine gute Zukunft zusammenarbeiten müssen.»
Vreny Rhinow stören die Vorbehalte, die ein Teil der Synodalen gegen die Pfarrschaft hege. Sie seien unnötig, denn eine Dominanz der Pfarrpersonen habe sie nie erlebt: «Nicht zuletzt sind die Pfarrerinnen und Pfarrer zuständig für Fragen, die das Profil der Kirche ausmachen.» Christoph Herrmann empfindet «die von ausserhalb immer wieder vernehmbare, pauschalisierende Kritik» an den Pfarrerinnen und Pfarrern ebenfalls als kontraproduktiv und demotivierend.

Blick in die Zukunft
Der Mitgliederschwund bereitet Helene Winkelmann und Vreny Rhinow Sorgen. Die Kirchgemeinden müssten neue Wege der Zusammenarbeit finden und sich überlegen, wie sie die Menschen in die Kirche holen könnten. Helene Winkelmann liegt die religiöse Erziehung am Herzen: Kinder und Jugendliche sollten Religion von Anfang an lernen und leben wie Lesen und Schreiben oder eine Sportart. Man müsse in die Kirche hineinwachsen, um sie als Heimat erleben zu können. Vreny Rhinow hofft, dass «die Bildung und Ausbildung in und für die Kirche auch in Zeiten der knappen Mittel» gefördert wird. Und Christoph Herrmann glaubt: «Unsere Zeit braucht eine deutliche christliche Denkart, die im Alltag und in der Gesellschaft unübersehbare Spuren hinterlässt.» Darum erhofft er sich, dass die Kantonalkirche «vermehrt Energie und Musse gewinnt, Themen zu setzen, die allen klar zu erkennen geben, dass der Glaube eine wahre Lebensquelle und sinnstiftend ist».

Karin Müller

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