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Kirche, Kinder, Küche und Berufstätigkeit

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01.01.2016
Frauen sind in der reformierten Kirche in der Schweiz gleich­berechtigt. Während sie an der Basis wichtige Arbeit leisten, befinden sich Frauen in den Kirchenleitungen jedoch auf dem Rückzug.

Während die Stellung der Frau in der katholischen Kirche Anlass für heftige Auseinandersetzungen gibt, erregt dies auf reformierter Seite kaum Aufsehen. Seit Jahren finden sich Frauen in fast allen kirchlichen Gremien.
Regelmässig treffen sich Frauen aus Kirchenleitungen im Vorfeld der Abgeordnetenversammlung des Kirchenbundes, um über Genderthemen zu diskutieren. «Diese betreffen Frauen und Männer gleicherweise», betont Verena Enzler, Synodalratspräsidentin der Solothurner Kantonalkirche.
Vor Kurzem kam man in Olten zusammen. Die Runde will Frauen ermutigen, Leitungsfunktionen in der Kirche zu übernehmen. Frauen warteten eher, bis sie für ein Amt angefragt werden, als dass sie sich von sich aus bewerben, sagt Verena Enzler. Als Folge seien Frauen in den Leitungen der kleinen Kantonalkirchen stärker vertreten als in den grossen.
Frauen ist heute der Weg ins Pfarramt oder ins Präsidium einer Kirchenleitung nicht mehr verwehrt. 1980 wurde Sylvia Michel Kirchenratspräsidentin der Aargauer Landeskirche. Erstmals wurde damit in Europa eine Frau an die Spitze einer Kirchenleitung gewählt. Seither scheinen die Geschlechter bei den Protestanten gleichberechtigt.
«Kirchenrechtlich kennen wir die Gleichstellung», erklärt Verena Enzler. «In der Praxis sieht es anders aus. In den letzten Jahren ging der Frauenanteil in den Exekutiven der Kantonalkirchen sogar zurück. In der Zürcher Kirche etwa von vier auf eine Frau. In der Baselbieter Kirche ist heute nur noch ein Mitglied im Kirchenrat weiblich.» Für die scheidende Zürcher Kirchenrätin Jeanne Pestalozzi ist dies prob­lematisch. «Von aussen betrachtet, bietet die Zürcher Landeskirche ein recht unvorteilhaftes und patriarchales Bild, welches das kirchliche Engagement der Frauen an der Basis in keiner Weise abbildet», erklärte sie gegenüber «reformiert.».
Verena Enzler bestätigt diese Entwicklung. Auch die Zahl der Präsidentinnen sei am abnehmen. Alle frei werdenden Stellen wurden in den letzten Jahren durch Männer ersetzt. Frauen seien eher in den Kantonalkirchen anzutreffen, in denen das Theologiestudium nicht als Vorraussetzung für das Präsidium gelte.
Es sei wichtig, dass Frauen in den Gremien vertreten seien, meint Verena Enzler: «Frauen kennen die Bedürfnisse der Basis oft recht gut.» Sie verständen es, Brücken zwischen Kirchenpolitik und Kirchenalltag zu schlagen.

Unterschiede im Stil
Auch im Stil gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, stellt Verena Enzler fest. Frauen würden anders politisieren als ihre männlichen Kollegen. Oftmals kämen sie zufällig zu ihrer Kirchenkarriere und müssten das Politisieren zuerst lernen. Grundsätzlich gingen Frauen Themen eher sachbezogen an und erarbeiteten sich zuerst ein fundiertes Wissen, bevor sie sich äusserten. «Dann tun sie dies aber mit Überzeugung und Engagement», meint die Synodalpräsidentin.
Viele Frauen erlebten ihr kirchliches Engagement oftmals in der Vierfachbelastung von Kirche, Kinder, Küche und Berufstätigkeit. All dies unter einen Hut zu bringen, falle schwer.
Während Frauen an der Kirchenspitze selten sind, bilden sie an der
Basis die Mehrheit. Kirchliche Freiwilligenarbeit ist heute vielfach Frauensache. Doch auch da zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. Viele sind berufstätig und wollen sich nicht längerfristig binden. Das sei auch in der Solothurner Kirche spürbar, räumt Verena Enzler ein. Sie betont jedoch, dass in den Kirchen nach wie vor sehr viel Ehrenamtliches geleistet wird.
Und wo bleibt das starke Geschlecht? Gerade im Bereich der Freiwilligenarbeit sind die Männer untervertreten. Verena Enzler ortet das Problem in der starken beruflichen Belastung der Männer.
Die Generation der 30- bis 50-Jährigen sei beruflich stark gefordert und finde kaum die Zeit für ein Ehrenamt. Männer im Pensionsalter stünden wieder für ein kirchliches Engagement zur Verfügung. Für Enzler ist der Rückgang der Freiwilligenarbeit ein gesellschaftliches Thema, das generell angegangen werden sollte. Da seien Politik und Wirtschaft gefordert.


Zum Bild: Frauen in Kirchenleitungen trafen sich in Olten.
Stehend v.l.: Theres Meierhofer, Monika Hirt, Sabine Scheuter, Verena Enzler
Sitzend: Lini Sitter, Nicole Fischer und Marianne Schläpfer. | zuber

Tilmann Zuber

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