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«Wir hören heute den gleichen Klang wie unsere Vorfahren»

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01.01.2016
Glockenausstellung in Willisau mit Leseraktion Kuh- oder Kirchenglocke, einfacher Signalgeber oder kompliziertes Musikinstrument: Eine Ausstellung in Willisau zeigt die Vielseitigkeit der Glocken.

Ein Gottesdienst in der Kirche ohne Glockenläuten am Anfang und Ende unvorstellbar. Doch Glocken gibt es nicht nur in christlichen Kirchen. Die ersten Glocken sollen schon vor über 9000 Jahren in der Jungsteinzeit als Tierglocken geläutet haben. Von alters her rufen die Glocken Menschen zum Gebet, doch Glocken regelten auch den Alltag. So gab es eine regelrechte Glockensprache: Glocken schlagen die Stunden, sie läuten zu verschiedensten kirchlichen Anlässen wie Geburt und Tod. Sie warnen vor Unwetter und Feuer oder kündigten früher öffentliche Ereignisse wie den Markttag oder die Ratssitzung an.
«Glocken sind akustische Zeitzeugen», sagt Adrian Steger. Der gelernte Orgelbauer ist der Leiter der Musikinstrumentensammlung Willisau und Kurator der kleinen, aber feinen Glockenausstellung. «Schriften und Bilder aus früheren Jahrhunderten können wir zwar heute anschauen, doch wie es damals geklungen hat, was die Menschen gehört haben, wissen wir nicht mit Ausnahme der Glocken. Wir hören den gleichen Klang wie unsere Vorfahren. Das fasziniert mich.»

Kunstvolle Glockenzier
In der Ausstellung bietet sich die Gelegenheit, sich über die je nach Ländern unterschiedlichen Herstellungs- und Läuttechniken zu informieren. Die Besucher können die sonst hoch im Kirchturm verborgenen, oft kunstvoll gestalteten Glocken aus der Nähe betrachten oder mit Glocken erzeugte Musik hören.
Seit jeher werden Glockenoberflächen auch künstlerisch gestaltet. Dazu wird in die Gussform ein Relief eingearbeitet eingeritzt oder hervortretend und mitgegossen. Diese Muster, Schriftzüge oder Figuren bezeichnet man als «Glockenzier». Da gibt es Bibelverse, Sinnsprüche, Namenspatrone, Heilige und vieles mehr zu entdecken.
Läuten gegen das Böse
Neben ihrer praktischen Funktion hatten Glocken auch schon immer eine magische und emotionale Seite. Auch sie wird in der Willisauer Ausstellung berücksichtigt. Glocken galten als eines der wirksamsten Mittel gegen das Böse. Weihte ein Bischof eine Glocke und gab ihr den Namen eines Heiligen, übernahm sie mit ihrem Klang dessen Funktion.
«Glocken sind aber auch vor allem akustische Heimat», sagt Adrian Steger. Viele Menschen empfänden heimatliche Gefühle, wenn sie die vertraute Kirchenglocke oder die Kuhglocken von der Wiese nebenan hörten. Das dokumentiere auch die Glockensendung des Schweizer Radios eindrücklich. Trotz einiger Versuche sie abzuschaffen sind die «Glocken der Heimat» jeden Samstag um 18.50 Uhr auf SRF 1 zu hören.
Zwar nehme die Bedeutung der Glocken als Signalgeber oder liturgisches Instrument immer mehr ab, so Steger. Doch beobachtet der Experte eine stete Zunahme von Bräuchen wie dem Einläuten des neuen Jahres. Seine Erklärung dafür: «Glocken haben auch heute noch eine sehr emotionale Seite: Sie rühren unsere Seele an».




Leseraktion
Der «Kirchenbote» bietet am Samstag, 28. Sep­tember, 15.30 Uhr eine Führung durch die Glockenausstellung in Willisau an. Der Eintritt ist frei, die Führung bezahlt der «Kirchenbote». Anmeldung bis 20. Sep­tember an sekretariat@kirchenbote.ch, Tel. 061 205 00 20 (Platz beschränkt).


Ausstellung
«Glocken immer und überall» Ausstellung bis 8. Dezember in der Musik-instrumentensammlung Willisau, Am Viehmarkt 1 (Gebäude Willisauer Bote), 6130 Willisau

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
www.musikinstrumentensammlung.ch

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