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Dank Freiwilligen werden die staatlichen Gelder verdoppelt

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01.01.2016
Die Schaffhauser Regierung behauptet in ihrer Sparvorlage, dass die Leistungen der Kirche rückläufig seien. Eine Umfrage des «Kirchenboten» zeichnet ein anderes Bild.

Bratenduft, Bestecke klappern, angeregte Gespräche: 40 Seniorinnen und Senioren haben sich zum Mittagstisch im Kirchgemeindehaus Burg eingefunden. Gehbehinderte hat der Fahrdienst abgeholt. Organisiert hat den beliebten Zmittag Sozialdiakonin Bettina Hitz, zusammen mit einer Kerngruppe von 14 jüngeren Seniorinnen. So wie die Seniorennachmittage und die Seniorenferien, welche die Kirchgemeinde gleichfalls anbietet. «Ziel ist, die Einsamkeit zu durchbrechen», sagt Hitz. Denn kommerzielle Angebote stehen für alte Menschen vielfach nicht zur Verfügung.
Ausgelassenes Lachen: In den jährlichen «Summercamps», welche der Sonntagsschulverband anbietet, tummeln sich vergnügte Kinder im Klettergarten. Konfessionszugehörigkeit ist Nebensache. Die günstigen Ferienlager werden von rund 35 qualifizierten Leiterinnen unentgeltlich organisiert und durchgeführt. In vielen Kirchgemeinden sind kirchliche Kinderwochen in den Schulferien so beliebt, dass sie zu Massenveranstaltungen werden. In Thayngen etwa machen 90 begeisterte Kinder mit, betreut von 70 Freiwilligen.

Möglich dank Freiwilligen
Eine Umfrage des «Kirchenboten» bei den reformierten Kirchgemeinden hat 307 Angebote mit 61'990 Teilnehmenden ergeben. Ermöglicht wurden diese Leistungen dank 2021 Freiwilligen, die 63'085 Stunden Arbeit leisten. Diese Umfrage zeigt nur einen kleinen Ausschnitt. Nicht mitgezählt wurden Gottesdienste, Kasualien (Taufe, Beerdigungen etc.) und der Unterricht von Kindern und Jugendlichen, da diese vor allem von Reformierten besucht werden. Die katholischen und christkatholischen Angebote sind nicht einbezogen, ebenso wenig wie die kantonalen Angebote von Spitalseelsorge, Gefängnis- und Notfallseelsorge. Viele Gemeinden bemerkten zur die Umfrage, dass sie bei den Antworten wohl eher noch nicht das ganze Spektrum erfasst haben.
Mit diesen Ergebnissen zeigt sich im Kanton Schaffhausen die gleiche Tendenz, wie es wissenschaftliche Studien in Baselland, Solothurn oder Zürich ergaben. Dort wurden die gezählten Angebote sowie die ehrenamtlichen Leistungen in Geld umgerechnet. Im Kanton Baselland ergab dies, dass jeder Franken an staatlichen Zuschüssen dank Freiwilligenarbeit verdoppelt wird.
Im Kanton Schaffhausen dürften die Ergebnisse ähnlich ausfallen, schätzt Elsbeth Fischer von Benevol Schaffhausen. Die Kirchen seien ein starker Katalysator für Freiwilligenarbeit. Die von den Kirchen geschaffenen Angebote dienten vor allem den Kontakten der Menschen untereinander, sagt Fischer. Angebote, die ein Gefühl von Zugehörigkeit und Teilhabe an einer Gemeinschaft vermittelten.
Wenn das Tischlein-deck-dich, das beispielsweise die Kirchgemeinde Steig auf die Beine gestellt hat, seine Tür öffnet, kommen im Jahr 5000 bedürftige Personen vorbei. In Lohn treffen sich im Pfarrhaus Männer und Frauen regelmässig und reden über den Lebenssinn oder die Bibel. Nicht nur in der Kirchgemeinde Löhningen-Guntmadingen, sondern fast überall, wo die Kirche Räume besitzt, beherbergen diese gratis oder zu günstigen Tarifen örtliche Vereine und Gruppen. Volkskirche finde nicht nur im Gottesdienst, sondern an ganz vielen Orten statt, wo sich Menschen für andere engagierten, sagt Kirchenratspräsident Frieder Tramer.
Die Umfrage zeigt auch, wie grosszügig Gottesdienstbesucher in die Tasche greifen, wenn es um die Unterstützung bedürftiger Mitmenschen geht. Die Gemeinden sammeln übers Jahr 491 482 Franken an Kollekten. Dank der Schaffhauser Bettagsaktion verfügt beispielsweise die Fachstelle für Schuldenberatung heute über einen Entschuldungsfonds. Und jedes Jahr können die Besucher der Gassenküche auf die Heiligabendkollekte der reformierten Kirchgemeinden zählen: Rund 13'000 Franken sind es pro Jahr.



Startschuss für Abstimmungs-Kampagne
«Nein zum Raubbau an der Volkskirche» heisst die Parole der drei Landeskirchen zur Abstimmung über das Kirchengesetz vom 24. November. An der Startveranstaltung am 12. September in Schaffhausen mit 170 Delegierten aus 38 Kirchgemeinden und Pfarreien stellten die Kirchenpräsidenten Frieder Tramer, Robert Sauter und Ernst Schuler die Argumente vor.
Höhepunkt war die Enthüllung des Kampagnenplakates: Es zeigt die Schaffhauser Kirchtürme als Schnittmuster und den Slogan «Nein zum Raubbau an der Volkskirche».
Die Kirchenstände wurden aufgerufen, jetzt tätig zu werden: Sie sollen die Kirchenmitglieder informieren und auffordern, den Kirchen den Rücken zu stärken mit Plakaten an der Garagentür, mit Leserbriefen und mit Spenden.


Zum Bild: Gemeinsam essen: Mittagstisch einer Stadtkirchgemeinde.

Barbara Helg

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