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«Es gibt keine Formel für das Trauern»

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01.01.2016
In Vorträgen beschäftigt sich Pfarrerin Sabine Herold mit dem Thema Abschied. Wer sich seiner Sterblichkeit bewusst ist, lebt achtsamer, ist die Theologin überzeugt.

Frau Herold, in Balsthal halten Sie einen Vortag zum Thema Abschiednehmen. Warum?
Abschiednehmen gehört zu unserem Leben und zu unserem Alltag. Es fängt beim täglichen «Tschüss» an, geht weiter, wenn die Kinder ausziehen, bei Trennung, Scheidung und endet zum Schluss mit dem Tod. Abschied ist ein existenzielles Thema in unserem Leben.

Fällt älteren Menschen der Abschied leichter als den jüngeren?
Nein. Als Pfarrerin erlebe ich, wie gerade Ältere den Abschied von ihrem Partner nur mit Mühe verkraften. 50 oder 60 Jahre war man als Paar zur Einheit zusammengewachsen. Und auf einmal fehlt die andere Hälfte. Abschied bedeutet Trauer.
Das Wichtigste ist, dass sich dabei jeder ganz persönlich Zeit lässt und seinen eigenen Weg geht. Es gibt keine Formel für das Trauern.
Trauern braucht Zeit.

Wir gross ist in der Gesellschaft die Bereitschaft, diese Zeit zuzugestehen?
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht der Druck, Schwieriges so rasch wie möglich zu überwinden. Es gibt wenig Zeit für Trennung, Abschied und Tod. Manche haben ein schlechtes Gewissen, dass sie nach einem Jahr immer noch nicht über den Tod eines geliebten Menschen hinweggekommen sind. Die Wahrheit ist, man kann nicht rasch trauern.

Haben Sie das auch selber erlebt?
Ja, als ich ein Kind während der Schwangerschaft verloren hatte. Ich erlitt eine Fehlgeburt. Für mich war dieses Erlebnis ein langer, schwieriger Weg, bis ich loslassen und das Kind letztlich in Gottes Hände geben konnte.

Was sagt die Bibel über Abschied?
In der ganzen Bibel finden sich Geschichten, die von Begegnung und Abschiednehmen handeln. Die Bibel weist darauf hin, dass wir nicht ewig leben.

Würden wir anders leben, wenn uns unsere Sterblichkeit stärker bewusst wäre?

Wir würden bewusster leben und uns gegenseitig stärker wertschätzen und das, was wir haben mehr achten. Mir fällt dazu der Vers «In deine Hände Herr befehle ich meinen Geist», ein, den Jesus am Kreuz gebetet hat. Diese Zeilen aus dem Psalm 31 helfen einem, das Vertrauen zu entwickeln, ich darf loslassen und mich einem Grös­seren anvertrauen.

Was bleibt zurück, wenn wir einmal für immer Abschied genommen haben?
Es heisst ja so schön, man lebe in den Erinnerungen weiter. Mir kommt jedoch das Bild einer Perlmuschel in den Sinn. Über Jahre wächst in der Muschel aus einem Sandkorn eine Perle. Die Muschel quält sich und legt eine Perlmutschicht um das Korn. Die Muschel selbst wird die Schönheit der Perle nie sehen. Ich wünsche mir, dass, wenn ich eines Tages gestorben bin, meine Perle für die anderen sichtbar wird.

Interview: Tilmann Zuber

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