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Ungarnreise der Kirchgemeinde Stadt Luzern: Besuch in schwierigen Zeiten

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01.01.2016
Für die reformierte Kirche Ungarns ist es zurzeit schwierig, ihre Rolle klar zu definieren. Dies erlebten die Mitglieder der Kirchgemeinde Luzern. Sie reisten mit dem Heks zur Partnergemeinde.

«Ungarn verabschiedet sich von der Religionsfreiheit» «Antisemitismus in Ungarn nimmt zu» Schlagzeilen wie diese, sind zurzeit häufig aus der Donaurepublik zu hören. Ein 2012 verabschiedetes Gesetz schränkt die Zahl der anerkannten Kirchen deutlich ein. Waren es früher über 300, sind es heute noch deren 30. Brisant ist: Über die Anerkennung entscheidet das Parlament, in dem die Rechtskonservativen eine Zweidrittelmehrheit haben. Das sorgt dafür, dass inzwischen viele kleine Glaubensgemeinschaften ihre staatliche Anerkennung verloren haben und damit auch die staatliche Unterstützung für soziale Projekte.
Profiteure sind die christlichen Kirchen, denen rund 75 Prozent der Ungarn angehören. Von ihnen erwartet Premierminister Victor Orbans Fidesz-Partei, dass sie treu zur Regierung stehen und das konservative Weltbild der Regierung mittragen.
Vor diesem Hintergrund reiste kürzlich eine Gruppe von Mitgliedern der Kirchgemeinde Luzern nach Ungarn, um unter anderem die ungarische Partnergemeinde Szigetszentmiklós zu besuchen und sich selbst ein Bild der Lage zu machen.

Archäologische Funde
In Szigetszentmiklós bei Budapest baut die dortige reformierte Gemeinde mit Unterstützung von Schweizer Gemeinden und dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, Heks, ein dringend benötigtes Kirchenzentrum. Nach einem vorübergehenden Baustopp, wegen archäologischer Funde auf dem Gelände, könnte nun wieder weitergebaut werden, erklärt der Heks-Projektverantwortliche Matthias Herren. «Das Kellergeschoss ist fertig gegossen, bis zur Fertigstellung des Gebäudes wird es aber noch etwa zwei Jahre dauern», erklärt er. Bei den Ausschachtungsarbeiten sei man auf Reste zweier Kirchen aus dem 9. und dem 18. Jahrhundert sowie auf einen Friedhof gestossen. Im Gemeindezentrum soll darum nun auch ein Museumsraum entstehen, in dem die Fundstücke präsentiert werden.
Die Baukosten belaufen sich auf rund 500 000 Franken. Diese muss die Kirchgemeinde selber beschaffen. Die ungarische Kirche kennet keine Kirchen-, sondern nur eine Mandatssteuer. Diese Beiträge erhalten aber nicht die Kirchgemeinden, sondern das Bischofsamt für übergeordnete Aufgaben. Die Kirchgemeinde Szigetszentmiklós versucht darum, den Betrag durch Spenden und Grundstückverkäufe zusammenzubringen.
«Die christlichen Kirchen befinden sich zurzeit in einer schwierigen Lage», berichtet Herren, der die Reise für die Luzerner Gruppe plante und begleitete. «Aufgrund der christlichen Werte werden sie von der Orban-Regierung als strategische Partner bezeichnet und regelrecht umarmt. In diesem Umfeld ist es schwierig, eine unabhängige prophetische Rolle einzunehmen.»

Ungarische Nationalhymne in der Kirche
«Die Frage Wo führt das alles hin? habe ich häufiger gehört», berichtet auch Yvonne Lehmann. Die Sozialdiakonin aus der Lukasgemeinde nahm ebenfalls an der Reise teil. «Kirche und Staat sind in Ungarn enger verbunden als bei uns», erzählt sie. So sei am Ende des Gottesdienstes in Szigetszentmiklós gemeinsam die Na-tionalhymne gesungen worden. «Dennoch steht man der eigenen Regierung sehr differenziert gegenüber», berichtet sie aus Gesprächen.
Wenn es den christlichen Kirchen in Ungarn also zurzeit vergleichsweise gut geht sollte ein Hilfswerk wie Heks dann nicht lieber Minderheiten wie den stark unter Diskriminierung leidenden Roma helfen? «Das machen wir auch», erklärt Herren. Klassische Bauprojekte wie das in Szigetszentmiklós seien «ein Auslaufmodell».
Zweidrittel der Heks-Gelder fliesst neuerdings in Projekte für ­Roma-Kinder und -Jugendliche. «Und zwar in solche, die von Kirchgemeinden unserer Partnerkirche, der Reformierten Kirche Ungarns, initiiert und getragen werden», so Herren. «Damit unterstützen wir auch einen wichtigen Dialogprozess.» Denn auch innerhalb der reformierten Kirche stehe man, wie vielerorts, Minderheiten oft ablehnend gegenüber.




Partnergemeinde in Ungarn
Seit drei Jahren pflegt die Kirche Stadt Luzern im Rahmen einer Gemeindepartnerschaft den Austausch mit der reformierten Kirchgemeinde in Szigetszentmiklós, in der Nähe von Budapest.
Unter anderem mit Luzerner Unterstützung baut die 800 Mitglieder zählende Gemeinde ein seit längerer Zeit dringend benötigtes Gemeindezentrum mit Saal, Jugendräumen und Küche. Die Projektleitung hat das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, Heks.


Zum Bild: Mitglieder der Kirchgemeinde Stadt Luzern auf Baustellenbesuch: Das Kellergeschoss des neuen Gemeindezentrums in Szigetszentmiklós ist bereits gegossen. | zvg

Annette Meyer zu Bargholz

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