Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

E-Mail aus Kappel: Mit dem Herzen

min
01.01.2016
An: redaktion@kirchenbote.ch Von: Christoph Hürlimann, Pfarrer

Liebe Mailfreunde!

Herbstferien? Sie fragen sich, ob Sie ans Meer oder ins Maderanertal fahren wollen. Auf jeden Fall in eine Wohnung. Sie wollen selber kochen. Da müssen Sie wissen, dass das Wasser in den Bergen früher zum Kochen kommt. Der Physiker, der das herausgefunden hat, ist auch dem Gesetz auf die Spur gekommen, dass in zwei untereinander verbundenen Röhren das Wasser gleich hoch ist. Das führte zur Entwicklung eines Wasserstandmessers, mit dem man den Spiegel des Rheins vom trockenen Ufer aus messen kann. Schon im 17. Jahrhundert entwickelte er eine Rechenmaschine. Blaise Pascal lebte 16231662.

Bis 1649 führte der Physiker in Rouen ein weltmännisches Leben. Am Montag, 23. November, wurde sein Weg radikal verändert. Seine Erfahrung hat Pascal auf einem Zettel festgehalten, den er in den Saum seines Rockes einnähte, dem Memorial. Sein Kammerdiener hat dieses Dokument bei seinem Tod gefunden. Es heisst etwa in der Mitte:

«Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Philosophen und Gelehrten. Gewissheit. Gewissheit. Empfinden: Freude, Friede: Gott Jesu Christi.»

Selber hervorragender Naturwissenschafter wurde Pascal zum Kritiker des rein naturwissenschaflichen Denkens. Er zeigte, dass der Optimismus, alles herauszufinden, Grenzen hat. Dem stellt Pascal die Überzeugung entgegen, dass nur das Herz das Leben, die Welt und Gott in ganzer Tiefe erfahren kann. Dies wollte er in einem Buch entfalten. Auf uns gekommen sind nur dessen Fragmente, die Pensées. Es geht nicht um eine Steigerung des Denkens, sondern um den Wechsel in eine andere Dimension. Deshalb riet der französische Mystiker dem Homo faber, der alles technisch naturwissenschaftlich rational erkennen will, die Grenzen des logischen Denkens zu akzeptieren.

Eine andere Dimension? Im 19. Jahrhundert wird Sören Kierkegaard diesen Steilpass Pascals aufnehmen. Er kommt zur Überzeugung, dass der Mensch sich selber und Gott nicht aus einem immer tieferen Denken heraus erfährt, sondern im Sprung des Glaubens. Pascal hätte den ungestümen Dänen ergänzt: Dieser Sprung geschieht nicht im Kopf, sondern nur im Herzen. Seine Heimat in Gott und seine Heimat in sich selber finden sind eines und nur im Wagnis des Herzens zu erfahren. Schwer verständlich? Für das rationale Denken unverständlich, nicht für das Herz. Sie sagen: Mit dem Verstand habe ich etwas in Händen, mit dem Herzen nicht. Pascal und Kierkegaard antworten: Es kommt auch nicht darauf an, dass wir etwas in Händen haben, sondern von guten Händen getragen sind. Durch das Herz sendet uns Gott eine manchmal zärtliche, manchmal strenge Botschaft. Auf sie gilt es zu hören.

Ob Sie also ins Maderanertal oder ans Meer fahren, lassen Sie in den Ferien Zeit-Inseln für das Herz, vermeiden Sie ein Tagesprogramm, das von der Frühgymnastik bis zum Schlummertrunk durchgestaltet ist.

Herzlich, Euer Christoph Hürlimann

Verwandte Artikel:
24.10.2013: Leserbriefe
28.11.2013: E-Mail aus Kappel: Die Geschenke der Könige

Unsere Empfehlungen

Trotz-Kraft Ostern

Trotz-Kraft Ostern

Obwohl sie ihn zum Schweigen bringen wollten, lebt seine Botschaft weiter. Jesus ist auferstanden und wir sind seit 2000 Jahren mit der Trotz-Kraft von Ostern unterwegs. Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, über die Aktualität der Osterbotschaft.
«Einer muss den ersten Schritt machen»

«Einer muss den ersten Schritt machen»

Der muslimisch-jüdische Dialog scheint seit dem Terrorangriff der Hamas schwierig. In Basel fand nun eine Premiere statt: Jüdische und muslimische Gläubige haben erstmals ihren Fastentag gemeinsam mit einem koscheren Essen beendet.