«Leben bedeutet Lernen und Veränderung»
«Ich bin für eine Beschränkung auf drei Amtszeiten», erklärt Lydia Schaller. Denn nach 12 Jahren sei vieles zu «eingespurt». Bei Lydia Schaller muss niemand mit der roten Karte winken. In der Herbstsynode tritt die Synodalrätin der reformierten Kirche Kanton Solothurn von ihrem Amt zurück. Leben heisse für sie lernen und sich verändern, erzählt Schaller.
12 Jahre war Lydia Schaller im Synodalrat für das Ressort Unterricht, Jugend und Diakonie zuständig. Gerade im Bereich des Religionsunterrichts konnte sie mit der Einführung des 2-Säulen-Modells einigen Erfolg verzeichnen. 2008 als Pilotprojekt gestartet, wird dieses Modell für den kirchlichen und schulischen Religionsunterricht heute in vielen Gemeinden umgesetzt.
Stolz auf das ökumenische Miteinander
Selber war Lydia Schaller über 10 Jahre als Katechtein tätig und hat sich an vorderster Front im schulischen Bereich für die ökumenische Zusammenarbeit eingesetzt. Heute ist dieses ökumenische Miteinander nicht mehr wegzudenken, was worauf Lydia Schaller besonders stolz ist. Selbst die Ausbildung zur Katechtein wird heute überregional und öumenisch angeboten. In der multikulturellen Gesellschaft sollten die christlichen Kirchen nicht das Trennende, sondern das Einende betonen und gemeinsam an einem Strick ziehen. Im Religionsunterricht in der eigenen Kirchgemeinde erfahren die Jugendlichen, was reformiert sein bedeutet, betont die Synodalrätin. Sie findet die Beheimatung der Kinder und Jugendlichen in ihrer Kirche eine wichtige Aufgabe des 2-Säulen-Modells.
Doch Schaller gibt zu, dass es für die Kirche heute schwieriger sei, Jugendliche anzusprechen. Ob dies gelinge, hänge oftmals von den Jugendarbeitern und Pfarrpersonen ab, erzählt die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern. Mit dem kantonalen Konfirmandentag, der neun Mal durchgeführt wurde, setzte Lydia Schaller mit ihrem Team in der Jugendarbeit neue Impulse. Zwischen 280 bis 300 Jugendliche nahmen jeweils daran teil und erlebten eine volle und engagierte Kirche, die ihre Themen wie Gewalt oder Beziehungen aufgriff. Heute wird der Konfirmandentag nur noch regional durchgeführt.
Andererseits räumt die scheidende Synodalrätin ein, dass das Bedürfnis nach christlicher Tradition in der Gesellschaft langsam verblasst. Trotzdem ist sie überzeugt, dass Religion für viele eine Lebenshilfe biete und die Kirche die Menschen auch künftig mit ihren Ritualen und ihrem Inhalt ansprechen werde.
Kirche ist Gemeinschaft
In ihrer Amtszeit im Synodalrat war es Lydia Schaller wichtig, dass die Diakonie ihren Stellenwert neben dem Pfarramt bekommt. Für Schaller bedeutet Kirche Gemeinschaft und Glaube. Sie findet es schade, dass heute die Finanzen im kirchlichen Leben immer bestimmender werden und viele Angebote schon aus finanziellen Gründen kaum eine Chance haben. Die Kirche brauche eine spirituelle Ausstrahlung, erklärt sie.
Die gelernte Pflegefachfrau arbeitete während Jahren in verschiedenen Spitälern und Kliniken. Hier lernte sie hautnah, wie sich Leben und Sterben verbindet. Seither begleitet sie die Frage, was die Lebensqualität des Menschen ausmacht. Nebst der Ausbildung als Katechetin schloss sie mit einem Diplom in Erwachsenenbildung und als Shiatsu-Therapeutin ab. Die Arbeit dürfte Lydia Schaller auch ohne ihr Kirchenamt nicht ausgehen. «Leben heisst lernen», lacht sie und freut sich auf das Neue nach der Zeit im Synodalrat.
Tilmann Zuber