A-DIEU
Unser Leben ist begrenzt. Alles im Leben hat einmal ein Ende: jede Begegnung, jedes Gespräch, jede Reise, jeder Lebensabschnitt, jedes Arbeitsverhältnis Leben heisst Abschied nehmen, und jeder Abschied ist ein Stück Sterben und bedeutet loslassen: Eltern lassen ihre Kinder los für ihren eigenen Weg. Viele müssen sich von ihrer Gesundheit, von ihrem Arbeitsplatz, von Wünschen und Hoffnungen, von Kräften und Möglichkeiten verabschieden. Ehen zerbrechen, Familien gehen auseinander, Krisen trennen Paare. Und immer begegnet uns der endgültige Abschied: der Tod.
Die Geschichte der Welt und die Geschichte der Menschen sind nur vorübergehend. Wir Menschen sind unterwegs, solange wir leben nur auf der Durchreise. Auch in der Bibel geht es vom Anfang bis zum Ende ums Thema Abschied. In der Bibel können wir lernen, «abschiedlich» zu leben, denn sie erzählt deutlich davon, dass diese Schöpfung endlich ist. «Ein jegliches hat seine Zeit», heisst es im dritten Kapitel des Predigers, «und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit.» So hat auch Begrüssen seine Zeit und Abschied nehmen hat seine Zeit Umarmen und die Umarmung lösen haben ihre Zeit.
Es gibt Redewendungen zum Abschied, die überlassen uns den Händen Gottes. Sie vertrauen uns der Fürsorge und dem Schutz Gottes an: «A-Dieu» (an Gott) oder «Bhüet di Gott» sind solche Redewendungen.
Als sich Jesus bei seiner Rückkehr zu seinem himmlischen Vater definitiv von seinen Jüngern verabschiedet, erhebt er die Hände und segnet sie.
Dies ist ein Abschied mit einer Geste, die mehr bedeutet als Händeschütteln, Küsschen oder eine schnelle Umarmung. Segnen heisst Gutes sagen und Gutes wünschen. Es bedeutet auch jemanden mit Kraft ausrüsten, die zum Guten und zum Heil wirkt.
Ein Segen ist ein kostbares Geschenk. Dies erzählt ein jüdisches Märchen: «Ein König schenkte einst einem Rabbi zum Abschied ein Geschenk einen kostbaren Edelstein. Der Rabbi überreichte ihm als Danke einen auf Pergament geschriebenen Segen, den priesterlichen Segen: «Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.» Der König wunderte sich darüber sehr und fragte ihn: «Wie ist das möglich? Ich habe dir doch einen teuren Edelstein geschenkt. Du aber schenkst mir etwas, das nichts wert ist.» Da antwortete der Rabbi: «Mein Geschenk und dein Geschenk lassen sich nicht vergleichen. Du hast mir ein Geschenk überreicht, das ich gut behüten muss. Ich jedoch habe dir etwas geschenkt, das dich behüten wird.»
Sabine Herold Pfarrerin in Erlinsbach