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Kameruner Vogelhäuschen für amerikanische Vorgärten

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01.01.2016
Design-Ideen aus der Schweiz treffen auf afrikanisches Kunsthandwerk: Rita Käslin aus Weggis unterstützt im Auftrag von mission 21 das Fairtrade-Unternehmen Prescraft in Kamerun.

Ein paar Musterstücke hat Rita Käslin als Mitbringsel mit in ihr Zuhause nach Weggis gebracht: getöpferte Kaffeebecher, Musikinstrumente, kleine Messingglocken. Das Vogelhäuschen aus einer Kalebasse, einem ausgehöhlten Flaschenkürbis, hat die 4500 Kilometer lange Reise aus Kamerun leider nicht unbeschadet überstanden. Ausgerechnet beim Verkaufsschlager des Fairtrade-Unternehmens Prescraft ist ein Stück herausgebrochen.
Wenn dieser Artikel erscheint, ist Rita Käslin bereits wieder 4500 Kilometer entfernt, zurück an ihrem Arbeitsplatz in Bamenda, im Nordwesten Kameruns. Dort unterstützt die Schweizer Designerin und Textilkauffrau seit drei Jahren Prescraft als Trainerin, Designerin sowie Verantwortliche für Qualitätssicherung.

Schweizer Gründer
Gegründet wurde das Unternehmen in den 1960er-Jahren von Hans Knöpfli, einem Schweizer Missionar der Basler Mission, einem Trägerverein der heutigen mission21. «Ihm ist die bis heute vorhandene Struktur, mit der Hauptverwaltung in der Provinzhauptstadt Bamenda und den Produktionszentren für Holz, Flecht-, Ton- und Metallarbeiten sowie den Läden zu verdanken», berichtet Rita Käslin.
Als die 49-Jährige ihre Stelle in Kamerun antrat, gehörte es zu ihren ersten Aufgaben, die Kunden, Fairtrade-Händler in Europa und Amerika, zu besuchen und deren Wünsche zu ermitteln. «Gerade in Amerika und Kanada ist die Nachfrage nach Fairtrade-Produkten momentan sehr gross.» Anders als in Europa sei der Markt dort noch nicht gesättigt. «In den letzten Jahren haben wir den zwischenzeitlich auf null gesunkenen Exportanteil wieder auf 30 Prozent steigern können», freut sich die Designerin.
Das Wachstum bringt Prescraft allerdings auch an Kapazitätsgrenzen. «Wenn die grossen Faitrade-Ladenketten Ten Thousend Villages und SERRV, mit zahlreichen Filialen in Nordamerika, 1500 Vogelhäuschen auf einmal ordern, müssen wir alle Kräfte bündeln», so Rita Käslin.
Das Unternehmen, welches zur presbyterianischen Kirche Kameruns gehört, beschäftigt 170 Fachkräfte und gibt Hunderten von Heimproduzenten ein Einkommen. Nach Fairtrade-Prinzipien stellt Prescraft den örtlichen Produzenten einen Arbeitsplatz in einem Produktionszentrum und das Rohmaterial zur Verfügung, welches diese nach dem Verkauf ihrer Ware zurückzahlen. mission21, zunächst die einzige Abnehmerin der Produkte in Europa, finanziert als Projektunterstützung die Stelle Rita Käslins sowie die eines Mitarbeiters im Management und 17 Lehrstellen in den Handwerksbetrieben.

Marktwirtschaftliches Denken
Gemeinsam mit den einheimischen Kunsthandwerkern entwickelt Rita Käslin die Designs. «Wir verwenden traditionelle Muster, aber teilweise machen uns auch die Kunden Vorgaben, wie Liefert uns Blumentöpfe mit afrikanischen Tieren und dann schauen wir, was machbar ist.» Wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit, so die Designerin, sei auch die Qualitätskontrolle. «Wir sind es in Europa gewohnt, dass, wenn wir zum Beispiel geflochtene Tischsets kaufen, alle die gleiche Grösse und Form haben. Will Prescraft auf dem Internationalen Markt Erfolg haben, muss es gewisse Standards einhalten. Diese Denk- und Arbeitsweise versuche ich in Kamerun zu vermitteln», so Rita Käslin.
Zum marktwirtschaftlichen Denken gehöre es auch, Dinge herzustellen, die auf dem einheimischen Markt chancenlos sind. Die Vogelhäuschen aus Kalebassen sind auf dem amerikanischen Markt mittlerweile ein Erfolgsprodukt und zieren zahlreiche amerikanische Vorgärten. «In Kamerun wissen die Vögel allerdings nicht so recht, was sie damit anfangen sollen: Bei mir im Garten in Bamenda werden sie boykottiert», berichtet Rita Käslin augenzwinkernd.
Prescraft-Produkte sind in der Schweiz über Mercifair, www.mercifair.ch, erhältlich.


Zum Bild: Rita Käslin überprüft mit dem Leiter der Kalebassenwerkstatt Raymond Pivage die Vogelhäuschen. | zvg

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
www.mercifair.ch

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