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Der beliebteste Bartträger der Welt

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01.01.2016
Ob strenger Samichlaus oder putziger Weihnachtsmann: In beiden steckt als Vorbild der ­heilige Nikolaus von Myra. Obwohl Reformator Martin Luther den Nikolaus als Gabenbringer einst aus dem Dienst entliess, ist seine Anziehungskraft ungebrochen.

Am 6. Dezember geht das Spektakel wieder los: Eine Armada rot gewandeter Samichläuse besucht Schulklassen, poltert bei Familien an die Stubentür und bringt Fitzen, Erdnüsse und Mandarinen. Viele tragen Bischofsstab und Mitra, andere halten es schlichter mit rotem Umhang und Kapuze. Schon fast eine Plage ist die Präsenz des von Amerika zugewanderten Weihnachtsmanns, der von jeder Werbung zwinkert. Die Innerschweizer Chlausjagden aber lassen das Publikum noch immer erschauern.
Doch wer meint, der bärtige Kapuzenträger sei nur alte Klamotte für die Kleinen, der irrt. Die Figur birgt politische Brisanz: In Amsterdam gingen vor kurzem Demonstranten auf die Strasse und protestierten gegen, den «Zwarte Pieten». Die Vereinigten Nationen hatten den schwarzen Helfer als rassistisch eingestuft, da er an die Sklaven in den früheren niederländischen Kolonien Surinam und den Antillen erinnere.

Ein ökumenischer Heiliger
Gemeinsam ist den verhüllten Gabenbringern die Urgestalt: Ihr Vorbild ist der heilige Bischof Nikolaus von Myra, dem heutigen südtürkischen Demre. «Samichläuse und Weihnachtsmänner sind eigentlich Figuren eines religiösen Schauspiels, das das Leben des Heiligen zum Kern hat», sagt Sabine Aschmann. Die Pfarrerin aus dem Schaffhauser Thayngen hält Vorträge über Leben und Wirken des Heiligen, der über die Konfessionen oder gar Religionen hinweg verehrt wird. Er sei ein ökumenischer Heiliger, sagt Aschmann. Dem Nikolaus öffneten Reformierte wie Katholiken die Tür, im orthodoxen Russland fungiere er als Nationalheiliger und in der muslimischen Südtürkei sei sein Todestag, der 6. Dezember, ein Feiertag.
Was macht die Faszination des heiligen Nikolaus aus? Sein Leben wird von zahlreichen Legenden umrankt. Es sei dem Leben Jesu nachgebildet, sagt Sabine Aschmann: «Nikolaus steht für den Sieg des Guten über das Böse, des Lichts über die Finsternis.» Noch vor seiner Bischofsweihe soll er das Vermögen seiner verstorbenen Eltern verschenkt und damit drei junge Frauen vor der Prostitution gerettet haben. Später, als Bischof, hat er seine Stadt vor Hungersnot bewahrt, indem er vorbeiziehenden Schiffen einen Teil der Fracht abnahm, die am Zielort auf wundersame Art wieder vollständig war. Makaber ist die Geschichte der ermordeten Schüler im Pökelfass, die Nikolaus zum Leben auferweckte. Einer Räuberpistole ähnelt die Geschichte vom Raub seiner Gebeine aus dem Grab in Myra und die Überführung ins italienische Bari.

Luther wollte ihn entlassen
Seit über tausend Jahren ist Nikolaus derjenige, der in der Weihnachtszeit Geschenke bringt. Begleitet wird er von Schmutzli, Knecht Ruprecht oder dem «Zwarte Pieten». Als Kontrastfiguren zu ihrem Chef sind sie Vertreter der Hölle, Symbole für das vom Nikolaus überwundene und in seinen Dienst gestellte Böse. Auch die Innerschweizer Chlausjagden symbolisieren den Sieg über die düsteren dämonischen Kräfte. Dem mächtigen Heiligen wird ursprünglich die Überwindung des griechischen Artemis- und des römischen Diana-Kultes nachgesagt, er verkörpert so den Sieg des Christentums über die älteren Religionen.
Dem Reformator Martin Luther allerdings war die katholische Heiligenverehrung ein Dorn im Auge. Er versuchte, den Gabenbringer zu entlassen, indem er postulierte, das wertvollste Geschenk von Weihnachten sei die Gnade der Menschwerdung von Jesus Christus. Aus dem Christus-Kind wurde das Christkind, das fortan als engelähnliches Wesen den Reformierten die Geschenke am Heiligabend brachte.

Geburtsstunde des Weihnachtsmannes
Nikolaus hat die Kündigung ebenso überlebt wie die pädagogischen Versuche der Aufklärer, ihn von der Religion zu befreien und als rein moralische Instanz gegen das Böse einzuführen: die Geburtsstunde des Weihnachtsmannes. Als säkulares Zwitterwesen trägt dieser Züge von Nikolaus und Schmutzli in einer Person. Vom Christkind hat er die Fähigkeit zu fliegen übernommen. Heute steht er ganz im Dienst der Werbung: Berühmtestes Beispiel ist der Coca-Cola-Weihnachtsmann.
Es ist nicht die Wandlungsfähigkeit der Figur, die Sabine Aschmann fasziniert, sondern der noch immer lebendige Geist des heiligen Nikolaus. So sei vor dem Fall der Berliner Mauer die Nikolai Kirche in Leipzig zum Zentrum des friedlichen Widerstands geworden. Der Theologe Hermann Goltz schrieb damals einen modernen Nikolaushymnus «Funken der Güte in Orient und Okzident» und schrieb die Gewaltlosigkeit des politischen Umsturzes im Spätherbst 1989 der Präsenz des Nikolaus-Geistes zu.

Barbara Helg


Demonstration gegen die Ankunft des «Schwarzen Peters», des Gehilfen des Nikolaus, in Amsterdam.

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