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Glücklich sein kann man lernen

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01.01.2016
Fragt man Kinder, rangiert die Schule in der Beliebtheit ­ungefähr auf gleicher Höhe wie der Besuch beim Zahnarzt. An der privaten Mädchenschule Theresianum Ingenbohl in Brunnen im Kanton Schwyz lernen 15- bis 17-Jährige «Glücklichsein» jetzt im Unterricht.

Marina Berini hat eine Mission: Sie möchte junge Menschen glücklicher machen. «Glücklich leben, heisst nicht einfach, es zu nehmen, wie es kommt. Das eigene Denken ist wichtig und beeinflusst das Empfinden von Glück», erklärt die Dozentin, die zurzeit in einem einjährigen Pilotprojekt Schülerinnen der 7. bis 9. Klassen am Theresianum in Brunnen in Glück unterrichtet.
Glücklich sein, die Fähigkeit, das Glas halb voll und nicht halb leer zu sehen, kann man nämlich lernen. «Ich weiss, das klingt abgedroschen und esoterisch, aber wissenschaftliche Studien beweisen eindeutig, dass glücklich sein nur zu zehn Prozent durch äussere Umstände beeinflusst wird. Zu 50 Prozent ist es genetisch bedingt und ganze 40 Prozent trägt die eigene Haltung zur Gemütsverfassung bei», erklärt Berini.
Genau hier setze der Unterricht an. Statt Vokabeln und Formeln, lernten die Schülerinnen im Fach «Glück» Lebenskompetenz. «Sie erfahren, wie sie beim Lösen von Aufgaben Kreativität entwickeln können. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen, andere Menschen für sich zu gewinnen und Konflikte zu lösen», erläutert die Dozentin.

Gemeinsam Stärke entwickeln
So wie in der Unterrichtsstunde zum Thema «Vertrauen». Die Schülerinnen müssen nacheinander auf eine wackelige Holzplattform steigen und dabei darauf achten, dass keine Ecke des Bretts den Boden berührt. «Durch solche Übungen halten wir in der Klasse besser zusammen», findet Selina Maccioni, 15, bei der anschlies-senden Besprechung. «Allein ist das noch einfach», meint die 14-jährige Rica Kolthoff. «Doch je mehr auf das Brett stiegen, desto mehr mussten wir uns absprechen und gegenseitig festhalten.» «Genau diese Erkenntnis ist das Ziel», erklärt Berini. «In der heutigen Lektion geht es darum, lösungsorientiert denken zu lernen. Dass man vom Erdulder seines Schicksals zum Gestalter wird.»

Lebensfreude lernen
Die Idee für das Schulfach «Glück» stammt ursprünglich aus Deutschland. 2007 führte der Pädagoge Ernst Fritz-Schubert es an seiner Schule in Heidelberg erstmals ein. Schubert begründete das Fach mit dem Ziel, Lebenskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und diese auch im Schulalltag zu realisieren. Inzwischen ist das Fach Teil des Stundenplans in Hunderten öffentlichen Schulen in Deutschland und Österreich. Das private Theresianum in Brunnen, Schwyz, ist die erste Schule in der Schweiz, die das Fach anbietet.
Den Brunner Schülerinnen gefällt das neue Fach. «Ich mag das positive Denken. So kann ich mich nach einem Misserfolg wieder motivieren», berichtet Rica Kolthoff. Aber auch für die Schule allgemein könnte die Beschäftigung mit dem Thema «Glück» zum «Glücksfall» werden, hofft Berini. «Der Weg zum Glücklichsein und zur Persönlichkeitsentwicklung ist häufig mit einem Perspektivenwechsel verbunden, der das Gelingende in den Vordergrund stellt. Es wäre ideal, wenn auch die Lehrer diesen vornehmen würden und von Fehlerfahndern zu Schatzsuchern­­
werden könnten».

Annette Meyer zu Bargholz

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