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Mit einem Segen beherzt ins neue Jahr

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01.01.2016
Bleigiessen, Feuerwerk und Korkenknallen. Im Schaffhauser Münster geht man die Silvesternacht besinnlicher, aber nicht weniger eindrücklich an.

Der letzte Gottesdienst im alten Jahr ist vorbei. Das Münster aber ist noch offen für alle, die in der schwebenden Stimmung zwischen alt und neu, Vergangenheit und Zukunft verweilen möchten. Kerzen säumen die wenigen Treppenstufen zur Turmkapelle. Dort kann man sich in der Silvesternacht im kleinen, höhlenartigen Raum segnen lassen. Ein Stuhl steht da, auf dem ich Platz nehme, um das Segnen auszuprobieren. Gut protestantisch fühle mich noch etwas unsicher.
«Benedicere» heisse segnen auf Lateinisch, und eigentlich bedeute es «etwas Gutes sagen», erklärt Hannah Rüegg. Sie und Irene Stamm sowie weitere Frauen und Männer gehören einem Segnungsteam an. Mehrmals im Jahr segnen sie, im Rahmen von Gottesdiensten wie diesem am Jahresende, in der Thomas-Messe oder auch im Kantonsspital.
Bald stellt sich ein schönes, geborgenes Gefühl ein. Ich spüre sitzend die Hände von Hanna Rüegg auf den Schultern, die halten und Wärme geben. Man wird nach dem Namen gefragt: Der Segen richtet sich an jeden und jede persönlich: «Ich bin gemeint.» Der Duft eines wohlriechenden Öls umschmeichelt die Nase, Irene Stamm zeichnet mir ein Kreuz auf die Stirn, dann in die Hände. Sie legt den Segensspruch auf einem Kärtchen in meine geöffneten Hände und liest: «Der Lebendige, dein Gott, zieht mir dir; er wird die Hand nicht von dir abziehen und dich nicht verlassen.» Der Spruch mit diesem ungemein tröstlichen Versprechen gefällt mir. Zum Abschluss spüre ich die Hand auf dem Scheitel.

Segen für das Ungeborene
Als sie selbst zum ersten Mal gesegnet worden sei, sei sie tief berührt gewesen und habe eine Kraft gespürt, erzählt Irene Stamm. Hannah Rüegg ergänzt: «Als Segnende bin ich selbst immer wieder bewegt, wie sich die Leute wirklich, im übertragenen Sinn, berühren lassen.» Männer etwa, mit einem Gesicht nass von Tränen. Der Münsterpfarrer verbinde die Segnung immer mit dem Abendmahl, erzählt Irene Stamm. So könne man Gottes Zuwendung mit allen Sinnen erfahren. «Der Glaube besteht nicht nur aus Worten.»
Die Mitglieder des Segnungsteams segnen sich gegenseitig, bevor sie sich anderen zuwenden. «Wir sind Vermittlerinnen, Handlangerinnen», sagt Irene Stamm. Die Sprüche wählten sie zufällig manchmal legten sie einen weg, wenn sie fänden, dass er nicht passe. Meist seien es Bibelverse, die Mut machten. Auch schon habe eine Frau gewünscht, dass sie auch ihr Baby im Bauch segneten. Eine andere wollte einen Segen mitnehmen für die kranke Tochter. Und ja, auch im Alltag würden sie manchmal segnen, sagen die Frauen. Einer Enkelin über den Kopf streichen und «bhüeti Gott» sagen.
«Gott behüte dich auf deinen Wegen und gebe dir seinen Frieden.» Die Worte klingen im Inneren nach. Gestärkt durch die Zuwendung gehen die Gesegneten von dannen und schreiten beherzt in die Winternacht.



Im Rahmen des «Offenen Münsters» in
der Silvesternacht persönliche Segnung in der Turmkapelle, um 21, 22 und 23 Uhr, Münster, Schaffhausen.

Barbara Helg

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