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Kampf um einen staatlichen Feiertag

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01.01.2016
Am 18. Mai entscheidet das Solothurner Stimmvolk, ob der Bettag ein gewöhnlicher Feiertag wird oder ein hoher Feiertag bleibt. Was die wenigsten wissen: Zur Debatte steht nicht ein kirchlicher, sondern staatlicher Feiertag.

Innerhalb von 14 Tagen lagen 4500 Unterschriften vor. 1500 wären für das Referendum nötig gewesen. Mit diesem Rekordergebnis erzwingen EVP, CVP, SP sowie die Gewerkschaften und Landeskirchen, dass der Entscheid über die Zukunft des Bettags im Kanton Solothurn an der Urne gefällt wird. Am 18. Mai kommt es voraussichtlich zur Abstimmung, ob dieser Feiertag als «gewöhnlich» oder «hoch» eingestuft wird.
Das Kantonsparlament hatte zwei Monate zuvor bei der Revision des Ruhetaggesetzes beschlossen, dass der Eidgenössische Bettag künftig ein gewöhnlicher Feiertag ist. Dies gegen den Widerstand der Regierung. Politiker aus der SVP und der FDP begrüssten diese Liberalisierung. Konkret bedeutet dies: Am dritten Sonntag im September wird die Herbstmesse Solothurn nun ihre Ausstellungstore öffnen und die Sportanlässe werden ausgetragen.

Bettagsmandate von Gottfried Keller
Wer glaubt, dass der Bettag ein kirchlicher Feiertag ist, der irrt. Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag ist in der Schweiz ein staatlich angeordneter Feiertag, der von allen christlichen Kirchen und der Israelitischen Kultusgemeinde gefeiert wird. Historisch geht dieser Tag zurück auf eine spätmittelalterliche Tradition. In Notzeiten verordneten die Behörden Buss- und Bettage oder gar Fasttage. Bei politischen Ereignissen wie der Bartholomäusnacht wurde in Zürich für die verfolgten Hugenotten gebetet. St. Gallen rief während der Seuchenepidemien des Dreissigjährigen Krieges zu Busstagen auf.
1797 feierten die katholischen und reformierten Kantone unter dem Eindruck der Französischen Revolution erstmals einen gemeinsamen Bettag. Ein Jahr später gab die Helvetische Republik ein gemeinsames Bettagsmandat heraus.
Seine staatstragende Bedeutung erhielt der Feiertag mit der Gründung des schweizerischen Bundesstaats im Jahr 1848. In der tief gespaltenen Schweiz, in der die reformiert-liberalen Kantone noch vor Kurzem gegen die katholisch-konservativen in den Krieg gezogen waren, symbolisierte der Bettag den Willen zur Einheit. Der Feiertag sollte den Respekt vor den politisch und konfessionell Andersdenkenden fördern und zur Solidarität aufrufen.
In verschiedenen Kantonen veröffentlicht die Regierung noch heute ein Bettagsmandat. Der Schriftsteller Gottfried Keller verfasste während Jahren dieses Mandat für den Zürcher Regierungsrat. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird der Bettag ökumenisch gefeiert.

Besinnung auf christliche Grundwerte
Der Bettag müsse wie der Karfreitag, Ostern und Weihnachten besonders geschützt werden, meinen die Initianten des Referendums. Dabei konnten sie auf die Unterstützung der SIKO, der Solothurner interkonfessionellen Konferenz zählen, welche die drei Landeskirchen vertritt. Für SIKO-Präsident Ruedi Köhli hat der Tag auch heute seine Berechtigung: «An diesem Tag hält man inne, wird sich bewusst und ist dankbar, dass wir von vielem verschont geblieben sind, etwa von Kriegen, Katastrophen oder grosser Arbeitslosigkeit.» Es sei die Aufgabe der Politik und der Konfessionen, immer wieder daran zu erinnern.
Dieses Besinnen betont auch Nationalrat und Gewerkschafter Philipp Hadorn gegenüber den Medien. Anlässlich der Unterschriftensammlung hätten viele Gespräche die Auffassung des Komitees bestätigt, dass der Bevölkerung die christlichen Grundwerte der Schweiz wichtig sind und sie diese auf keinen Fall abbauen will. Es blieben genügend Möglichkeiten für Events und Grossanlässe. «Wir wollen keine weitere Kommerzialisierung unserer Gesellschaft.» Ruedi Köhli schätzt am Bettag, dass dieser in der heutigen Hektik einen Unterbruch darstelle. Man könne zur Ruhe kommen und die Seele baumeln lassen. «An diesem Sonntag gibt es keinen Druck, etwas zu tun oder einen Anlass zu besuchen.»
Der Bettag beschäftigt die Solothurner Politik seit Längerem. Schon 2005 gab es einen Vorstoss, den Feiertag zurückzustufen. Damals lehnten dies 70 Prozent der Stimmberechtigten ab.

Tilmann Zuber

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