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«Ohne Ökumene könnten wir hier gar nicht existieren»

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01.01.2016
Mönche, Internatsschüler und Touristen für einen reformierten Pfarrer ist Engelberg ein nicht alltäglicher Arbeitsort. Nach 14 Jahren im Klosterdorf geht Fritz Gloor Ende Juni in Pension.

Herr Gloor, Sie sind in Luzern geboren und waren als Pfarrer immer in derselben Region Nid- und Obwalden tätig. Hat es Sie nie in die Ferne gezogen?
Eigentlich nie. Ich bin von Natur aus eher sesshaft und habe mich hier immer wohlgefühlt. Durch meine gesamtkirchliche Tätigkeit, bei der Konkordatsprüfungsbehörde und als Präsident des Kirchenverbands der Zentralschweiz EKZ, hatte ich während 15 Jahren allerdings ständig Kontakt mit Menschen aus anderen Kantonalkirchen. Das brachte Abwechslung.

Was war das Besondere für Sie, in Engelberg tätig zu sein?
Sicher die Tätigkeit als Religionslehrer an der Stiftsschule, dem Gymnasium und Internat, das für diesen kleinen Ort eine Besonderheit ist. Hier traf ich immer wieder auf interessante Menschen, welche die verschiedensten Wissensgebiete repräsentierten. Das war ein spannender Kontrast zum Dorfpfarramt.
Für Abwechslung sorgten sicher auch die Touristen. Engelberg ist ein beliebter Ferienort und der Bau der reformierten Kirche vor 125 Jahren geschah auf Initiative von Feriengästen.
Leider nimmt die Zahl der Stammgäste, die Jahr für Jahr aus Deutschland oder Holland kommen, immer im selben Hotel wohnen und dann auch die Gottesdienste besuchen, stark ab. Noch vor zwanzig Jahren waren das Dutzende und die Gottesdienste im Sommer waren entsprechend gut besucht. Heute boomt der Wintertourismus doch jene Gäste gehen auf die Piste und nicht in die Kirche.

Engelberg ist stark katholisch geprägt. Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit Ihren katholischen Amtsbrüdern?
Das Benediktinerkloster ist sehr offen und es gab und gibt freundschaftlichen Kontakt zum Abt, zur Klostergemeinschaft und zur Pfarrei. Ich habe dort stets die Ermutigung erfahren, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Auf dieser Basis entstand beispielsweise der «Kon-Firm-Weg», bei dem für katholische Firmlinge und reformierte Konfirmanden gemeinsame Projekte initiiert wurden.

Der katholische Pfarrer sass ja sogar in der Pfarrwahlkommission zur Suche Ihres Nachfolgers ...
Ohne Ökumene könnten wir hier gar nicht existieren. Ein Beispiel ist der Religionsunterricht. Ein ausschliesslich konfessioneller Unterricht lässt sich für die wenigen reformierten Kinder kaum organisieren. Die intensive Zusammenarbeit in der Schule trägt auch dazu bei, dass der reformierte Pfarrer im Dorf vermehrt wahrgenommen wird.

Wie sieht es denn mit dem spezifisch reformierten Gemeindeleben aus?
Uns fehlt die Altersdurchmischung. Für junge Familien ist Engelberg ein teures Pflaster geworden. In den letzten Jahren gab es kaum Taufen. Die Zahl der Mitglieder, wir haben gegen 500, hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, der Prozentsatz der Aktiven wird jedoch nicht grösser.

Woran liegt das?
Viele Neuzuzüger sind zwischen 55 und 65 Jahre alt und machen ihre Zweitwohnung in Engelberg vor allem aus steuertechnischen Gründen zum Hauptwohnsitz. Von ihnen ist meist wenig zu spüren. Viele jüngere Singles arbeiten im Tourismusbereich, sind oft nur temporär in Engelberg und suchen auch keinen Anschluss. Für einen wirklichen Gemeindeaufbau bleiben dann nicht mehr allzu viele.

In Ihre Anfangszeit in Engelberg fiel die Auflösung des Kirchenverbands der Zentralschweiz EKZ, den Sie seit 1988 präsidierten. Das war sicher eine intensive Zeit?
Die Diskussion über das Für und Wider hat sich über viele Jahre hingezogen. Kurz vor meinem Amtsantritt war bereits Luzern aus dem Verband ausgestiegen, später folgte Zug. Danach drifteten die verbliebenen Partner Uri, Schwyz und Ob- und Nidwalden immer mehr auseinander. Aus meiner Sicht wurden die Folgen der Verbandsauflösung zu wenig bedacht.

Welche sind das?
Bei den kleinen Zentralschweizer Kirchen werden heute viele personelle Ressourcen verschleudert, weil sie eigene Delegationen in den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund abordnen müssen. Die Gelegenheiten, die Kräfte zu bündeln, werden zu wenig wahrgenommen. Verglichen mit den grösseren Mitgliedkirchen sitzen heute zu viele Zentralschweizer Delegierte in der Abgeordnetenversammlung des Kirchenbunds. Dadurch ist das Gleichgewicht gestört.

Durch die gesamtkirchliche Arbeit haben Sie sich stets auch mit kirchenrechtlichen Fragen befasst. Warum sind Sie nicht Jurist, sondern Pfarrer geworden?
Durch meinen Vater bin ich in beide Richtungen familiär «vorbelastet». Er war Jurist, aber auch Kirchgemeindepräsident von Luzern. Ich war stark in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert. Dennoch wollte ich zunächst Altphilologie studieren. Ein Leben als Latein- und Griechischlehrer konnte ich mir aber nicht vorstellen. So ist es dann die Theologie geworden, dort hatte ich es ja auch mit alten Sprachen zu tun.

Was sind Ihre Pläne für den bevorstehenden Ruhestand? Gibt es Dinge, die Sie gerne tun möchten?
Ich möchte viel lesen. Ich möchte aber auch theologisch gern noch ein wenig forschen und schreiben. Ein konkretes Projekt ist es, die Kirchengeschichte Engelbergs aufzuarbeiten. Noch leben Augenzeugen, welche die Anfänge der Kirchgemeinde vor 50 Jahren miterlebt haben.



Der Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Fritz Gloor findet am Sonntag, 29. Juni, 10 Uhr, in der reformierten Kirche in Engelberg statt.



Reformierte in Engelberg
In Engelberg leben heute gegen fünfhundert Reformierte. Eine Kirche gibt es dort seit 1889, doch erst seit 1986 existiert auch ein eigenes Teilzeitpfarramt. Zwar fanden bereits vorher regelmässig Gottesdienste statt doch wurden diese hauptsächlich von Feriengästen besucht. Und auch die Pfarrer, die in den Sommermonaten auf der Kanzel standen, hielten sich als Touristen im Klosterdorf auf.

Annette Meyer zu Bargholz

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