Konstanzer Konzil 14141418: Papst auf der Flucht besiegelt die Zukunft Schaffhausens
In Konstanz tagten während des vierjährigen Konzils die mächtigsten Kirchen- und Adelsfürsten des Abendlandes. Auch in Schaffhausen logierten Konzilsgäste, die Stadt war nur eine Tagesreise entfernt. Da wurde in einer Märznacht 1415 der Papst Johannes XXIII. in Begleitung des Dies-senhofener Truchsess Molli gesichtet. Als kurz darauf auch der Schaffhauser Stadtherr, der Österreicher Herzog Friedrich, eintraf, ging ein Lauffeuer durch die Gassen: «Am Konzil ist etwas Schlimmes passiert.»
Päpstlicher Trick mit Folgen
Stadtarchivar Peter Scheck, der die alten Quellen studiert hat, erzählt: «Am Konzil wollte man die Spaltung der Katholischen Kirche überwinden. Papst Johannes XXIII. war einer der drei streitenden Päpste und als einziger zum Konzil gekommen. Mit der Flucht wollte er sich der Absetzung, die nur in seiner Gegenwart geschehen konnte, entziehen. Der Stadtherr von Schaffhausen, der Österreicher Herzog Friedrich, hat ihn dabei unterstützt.» Bald sah sich die Stadt von Truppen König Sigismunds umstellt, der Rache nehmen wollte. Der Herzog ergab sich und die Schaffhauser schworen neu dem König die Treue. Schaffhausen war nun freie Reichsstadt.
«Frei, um eigene Bündnisse zu schmieden», sagt Peter Scheck. Die Schaffhauser schlossen sich erst dem Schwäbischen Städtebund an und 1454 der Eidgenossenschaft dieses Bündnis wurde 1501 in einen ewigen Bund umgewandelt. «Ohne die Ereignisse in Konstanz würde der Kanton Schaffhausen heute wohl zu Deutschland gehören», so der Stadtarchivar.
Zeigte sich der König und Konzilsschirmherr Sigismund trotz Truppenaufmarsch der Stadt Schaffhausen gegenüber gnädig, so offenbarte das Konzil kurze Zeit später seine grausame Seite. Neben dem Hochadel und den Päpsten war auch der Theologe Jan Hus eingeladen worden. Vorgeladen, müsste man eher sagen. Er galt der Obrigkeit als Ketzer und sollte seine «Irrlehre» widerrufen.
Die Wurzeln der Reformation
Erich Bryner, Titularprofessor für Kirchengeschichte an der Universität Zürich sagt: «Jan Hus war einer der ersten Reformatoren. Als junger Mann studierte er die Schriften des englischen Reformtheologen John Wycliff. Als Priester der Prager Bethlehemskapelle, die vor allem von einfachen und armen Leuten besucht wurde, predigte er in tschechischer Sprache. Er kritisierte den Reichtum und das Lasterleben der Kirchenfürsten und trat für eine hierarchiefreie Kirche nahe bei den einfachen Menschen ein.» Eine Reformbewegung sei so entstanden, welche das Establishment beunruhigte.
Statt dass die Hohen Geistlichen die Innovationen von Hus als Anregung für Kirchenreformen aufnahmen, verurteilten sie ihn, der an seiner Überzeugung festhielt, zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Erich Bryner sagt: «Hus wurde zum Märtyrer gemacht.» Die Hus-Bewegung sei gestärkt worden und entwickelte sich weiter, bald sah sich König Sigismund mit den Hussitenkriegen konfrontiert. «Die Bewegung hatte eine starke sozialrevolutionäre Komponente, die später auch in der Reformation zum Tragen kam», so Bryner.
Obwohl das Konzil vordergründig die Kirchenspaltung überwand und schliesslich wieder einen einzigen Papst, Martin V., einsetzte, leistete es mit der Verbrennung von Jan Hus der Reformation Vorschub. Rund hundert Jahre nach dem Konzil erreichte sie Schaffhausen in der Person von Sebastian Hofmeister. 1529 nahmen der Kleine und der Grosse Rat die Reformation offiziell an und Schaffhausen, das unterdessen zur Eidgenossenschaft gehörte, wurde reformiert.
600 Jahre Konzil
In Konstanz findet in den nächsten Monaten eine Vielzahl von Veranstaltungen zum Konziljubiläum statt. Darunter Ausstellungen über den Alltag zur Zeit des Konzils, über das Konzil als Weltereignis und über Jan Hus. www.konstanzer-konzil.de
Zum Bild: Er hielt an seinen Überzeugungen fest: Der Vorreformator Jan Hus wird am Konzil von Konstanz verbrannt. | Spiezer Chronik
Barbara Helg
Links:
www.konstanzer-konzil.de
Konstanzer Konzil 14141418: Papst auf der Flucht besiegelt die Zukunft Schaffhausens