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Stoff, der für Diskussionen sorgt

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01.01.2016
Noch vor dem Islam hat das Christentum das Schleiertragen eingeführt. Eine Ausstellung enthüllt dieses und andere Details der Geschichte eines besonderen Kleidungsstücks.

Denkt man heutzutage an Schleier, kommen einem schnell Musliminnen mit Burkas und Kopftüchern in den Sinn samt hitziger Diskussionen um gesetzliche Verbote der Stoffstücke. Dabei reicht die Geschichte des Schleiers bis weit in die Antike zurück und ist keine Erfindung des Islams. Die Ausstellung «Schleier und Entschleierung Kunstgeschichte, Erscheinung und Deutung», die ab 28. Oktober in Luzern zu sehen ist, hat sich zum Ziel gesetzt, einen differenzierten Blick auf dieses Kleidungsstück zu ermöglichen.
«Schleier und Kopftuch werden im aktuellen öffentlichen Diskurs fast ausschliesslich im Zusammenhang mit dem Islam thematisiert», stellt auch Carmen Jud fest. Die Leiterin der OeME-Fachstelle der Reformierten Landeskirche ist Mitorganisatorin der Schau und wünscht sich «mehr Sachlichkeit und Gelassenheit» in der Debatte. «Kopftuchtragende Frauen begegnen oft Misstrauen und Diskriminierung», so Jud. Die Ausstellung soll deshalb Gelegenheit geben, über «die Bedeutung religiöser sowie laizistischer Symbole und ihre Funktion miteinander ins Gespräch zu kommen».

Schleier als christliche Tradition
Im Mittelmeerraum ist die Verschleierung der Frau seit jeher ein einheitliches und somit verbindendes Element. Sie war eine gängige Sitte in allen Kulturen des Nahen Ostens, wo die gemeinsame Geschichte des Juden- und Christentums sowie des Islams ihren Ursprung hat. Doch auch in Westeuropa war der Schleier lange in Gebrauch. In der Ausstellung sind Porträtkopien alter Meister vom 15. bis ins 19. Jahrhundert zu sehen, die schleiertragende Frauen zeigen. Noch in den 1950er-Jahren galt das Tragen eines Kopftuchs als chic, und Stars wie Brigitte Bardot und Grace Kelly liessen sich gerne damit fotografieren.
Wer sich mit der Frage beschäftigt, ob sich Christinnen verschleiern müssen oder nicht, kommt um die Aussagen des Apostels Paulus im ersten Brief an die Korinther nicht herum. Vielfach werden die Aussagen des Paulus so gedeutet, dass er sich für die Sitte des Verschleierns einsetzt. So gibt es bis heute schleiertragende Nonnen, die Mehrheit der Christinnen lebt hingegen unverschleiert. In den christlichen Kirchen des Südens und Ostens sind die Schleier allerdings weiter verbreitet, zumindest im Gottesdienst.

Diskussion erwünscht
Hierzulande sind Kopftuch und Schleier längst zum Politikum geworden. Man ist pauschal dafür oder dagegen. Damit wird man aber der Vielfalt der Motive, einen Schleier zu tragen, nicht gerecht. All diese unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, ist erklärtes Ziel der Ausstellung. Verschiedenste Organisationen in Luzern haben sich darum zusammengetan, um ein reichhaltiges Begleitprogramm mit Filmen, Vorträgen, Diskussionsabenden und mehr zu organisieren: Universität, Pädagogische Hochschule, Reformierte und Katholische Kirche, Islamische Gemeinde und Islamischer Frauenverein sind ebenso beteiligt wie das RomeroHaus, die Integrationsfachstelle Fabia und das Schweizerische Arbeiterhilfswerk.



Programm
Die Ausstellung «Schleier und Entschleierung» ist im Zentrum Der MaiHof, Weggismattstr. 9, Luzern, vom 28. Oktober bis zum 16. November (ausser 3.5. und 14. November) täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.


Zum Bild: Anbiederung oder Höflichkeit: Bundesrätin Micheline Calmy-Reys Kopftuch beim Besuch des iranischen Präsidenten
gab 2008 in der Schweiz zu reden. | reuters

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
Details, Führungen und Begleitprogramm: www.kathluzern.ch/schleier-und-entschleierung

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