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Wie Albaner Juden vor den Nazis retteten

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01.01.2016
Albaner retteten im Zweiten Weltkrieg vielen jüdischen Mitbürgern und Flüchtlingen das Leben eine Ausstellung in Luzern thematisiert dieses unbekannte Detail der Geschichte.

Albanien war das einzige Land in Europa, indem es nach dem 2. Weltkrieg mehr Juden als vorher gab. Es ist ein kaum bekanntes Kapitel in der Geschichte des Holocaust, dass bis zum Abzug der Deutschen aus Albanien 1944 fast 2000 Juden Zuflucht bei muslimischen Familien fanden und beinahe alle die tödliche Jagd der Nationalsozialisten überlebten. Die Ausstellung «Besa ein Ehrenkodex», die ab 5. Januar in Luzern zu sehen ist, widmet sich diesem unbekannten Aspekt der Geschichte des Zweiten Weltkrieges.

Tugend namens «besa»
Viele einfache albanische Familien, meist Muslime, retteten damals Juden vor der Vernichtung, indem sie sie versteckten, ernährten und ausser Landes brachten. Die Albaner beriefen sich auf «Kanun», den albanischen Ehrenkodex, der mündlich von Generation zu Generation überliefert wurde. Zu diesem Kodex gehört eine Tugend, die auf Albanisch «besa» heisst. Wer jemandem Hilfe anbietet, ihn bei sich zu Hause aufnimmt, muss sein Schutzversprechen halten: «Das Haus des Albaners gehört Gott und dem Gast.» Wer einen notleidenden Fremdling ausgeliefert hätte, der wäre ehrlos gewesen.
Das Jerusalemer Holocaust-Museum Yad Vashem verlieh 69 Albanern für ihren Einsatz den Titel «Gerechte unter den Völkern. Der amerikanische Fotograf Norman Gershman hat die albanischen Retter und einige ihrer Nachfahren zwischen 2003 und 2008 für die Gedenkstätte porträtiert. Herausgekommen sind eindrückliche Fotos und berührende Aussagen, die dem Betrachter vor Augen führen, dass jeder Mensch fähig ist, einem anderen zu helfen, wenn er nur will.

Stadträtin will Image der Albaner verbessern
Neben dem geschichtlichen zeigt die Ausstellung noch einen aktuellen Aspekt. Albaner kämpfen in der Schweiz mit einem miserablen Ruf. Sie gelten als Autoraser und Schlägertypen. Eine kleine kriminelle Minderheit bringt die friedliche, integrierte Mehrheit der Albaner mit Gewalttaten wie den sogenannten Ehrenmorden immer wieder in die Schlagzeilen. Auch in diesem Zusammenhang wird der Ehrenkodex «Kanun» oft als Antrieb genannt. Die Ausstellung zeigt für einmal die positive Seite des berüchtigten Gewohnheitsrechts. «Die Ausstellung in Luzern soll dazu beitragen, dass die grosse humanitäre Leistung Albaniens bekannt wird und soll unser Bild über das Land bereichern oder verändern», hofft Stadträtin Ursula Stämmer, die an der Vernissage sprechen wird.
Die Politikerin beeindruckt besonders der Einsatz der Albaner «über religiöse Grenzen hinaus»: «Ich bin zutiefst überzeugt, dass Akzeptanz, Respekt und Toleranz in der Religionsfrage für den Frieden auf der Welt unabdingbar sind.» Die Ausstellung zeige, dass dafür auch Taten notwendig sind. «Wer sich für Verfolgte einsetzt, wie es die Menschen in Albanien getan und damit ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, verdient unseren Respekt und unsere Hochachtung.»



«Besa» in Luzern
Ausstellung vom 5. bis 27. Januar in der Kornschütte Luzern. Öffnungszeiten: Mo bis Fr täglich 1018 und Sa/So 1016 Uhr

Vernissage. Montag, 5. Januar, 18 Uhr. Stadträtin Ursula Stämmer im Gespräch mit albanischen und jüdischen Vertretern; Apéro

Podiumsgespräch. Montag, 12. Januar, 18 Uhr. Mit Ahmad Mansour, palästinensisch-israelischer Psychologe und Autor, Gülcan Akkaya, Vizepräsidentin der Eidgen. Kommission gegen Rassismus, und Dr. Ronnie Bernheim, Präsident der GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Filmmatinee. Sonntag, 18. Januar, und Sonntag, 25. Januar, 11 Uhr: «Besa: The Promise» (Engl. mit dt. Untertiteln) im Stattkino. Am 25. Januar findet nach dem Film ein Gespräch mit Fotograf Norman Gershman statt

Albanisch-jüdisch-muslimischer Begegnungsworkshop. Montag, 26. Januar, 18.15 Uhr. Anmeldung: respect@ncbi.ch

Internationaler Holocaust-Gedenktag. Dienstag, 27. Januar, 18 Uhr, mit Norman Gershman, dem Fotografen der Besa-Ausstellung



Zum Bild: «Menschlichkeit ist keine Frage der Religion»: Die Ausstellung «Besa ein Ehrenkodex» widmet sich einem unbekannten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. |zvg/besa

Annette Meyer zu Bargholz

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