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Gutes Leben bis zum Schluss

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01.01.2016
Ob zu Hause, im Altersheim oder in spezialisierten Palliativstationen: Schwer kranke und sterbende Menschen sollen überall umfassend betreut werden. Auch der Kanton Obwalden erarbeitet zurzeit ein entsprechendes Konzept.

In der Schweiz sterben pro Jahr rund 60'000 Menschen. In 20 Jahren werden es 80 000 sein ein Drittel mehr als heute. Die hohe Lebenserwartung und das Älterwerden der Babyboom-Generation lässt die Zahl der über 80-Jährigen bis 2030 um 70 Prozent ansteigen. Im Hinblick auf die gesundheitspolitischen Herausforderungen haben Bund und Kantone 2009 eine »Nationale Strategie Palliative Care« verabschiedet. In der ganzen Schweiz sollen Angebote entstehen, welche die Lebensqualität schwer kranker und sterbender Menschen wahren und verbessern. Dabei werden die körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse der Erkrankten und ihrer Angehörigen berücksichtigt.

Immer mehr Ältere
Auch im Kanton Obwalden nimmt der Anteil von Menschen im Pensionsalter an der Gesamtbevölkerung zwischen 2010 und 2035 von 15 Prozent auf 28 Prozent zu. Angebote für schwer kranke und sterbende Menschen werden damit auch in Obwalden immer wichtiger. Im Auftrag des Regierungsrates befasst sich seit Anfang 2013 eine breit abgestützte Arbeitsgruppe mit dem Thema Palliative Care und hat dazu einen Bericht erarbeitet. Ein erster konkreter Schritt ist eine Informationswoche im Februar zur Sensibilisierung der Bevölkerung (siehe Spalte). Weiter soll die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hilfs-Diensten und Institutionen verstärkt werden und das Pflegepersonal in Heimen, Spitex und Spitälern entsprechend geschult werden.

Tod nicht verdrängen
Eine Fachfrau, die sich auf verschiedenen Ebenen bereits seit Langem mit dem Thema beschäftigt, ist Theres Meierhofer-Lauffer. Die Juristin leitet das Alters- und Pflegeheim Erlenhaus in Engelberg und für sie gehört der Umgang mit Sterbenden und dem Tod zum Berufsalltag. «Die Menschen, die zu uns ziehen, betreuen wir bis zum Tod. Warum sollten wir das verdrängen?», fragt die Heimleiterin, die in der regierungsrätlichen Arbeitsgruppe mitarbeitet.
Bereits in den Eintrittsgesprächen ist das Lebensende oft ein Thema. Denn auch wenn viele es sich vielleicht anders wünschen, endet das Leben für 80 Prozent der Menschen in der Schweiz nicht zu Hause, sondern im Spital oder im Pflegeheim.
Aufgabe der Institutionsleitungen, so Theres Meierhofer, sei es, auf die Ängste der Menschen einzugehen und im Heimalltag Räume zu schaffen, in denen auch spirituelle Themen Platz haben. Eine gelungene Palliativ-Pflege ermöglicht die interdisziplinäre Zusammenarbeit all jener Personen, die mit den Sterbenden zu tun haben, darunter Ärzte, Pflegende und Angehörige. «Auch Seelsorgende gehören unbedingt mit dazu», sagt Meierhofer, die auch Präsidentin des reformierten Kirchgemeindeverbands Obwalden ist.
Am Ende des Lebens, so ihre Erfahrung, kommen bei den meisten Menschen spirituelle oder religiöse Fragen auf. «Nicht nur der Körper, auch die Seele braucht dann Betreuung. Wenn wir es schaffen, jedem einzelnen Bewohner zu vermitteln Du bist uns als Mensch wichtig und wir wollen dich begleiten, egal in welchem Zustand du bist dann ist Palliative Care gelungen.»

Tür zum Sterbezimmer öffnen
Unter Meierhofers Leitung wird das Sterben im Erlenhaus nicht versteckt. «Die Tür zum Zimmer einer sterbenden Person steht bei uns meist offen», so Meierhofer. «Das Pflegepersonal, die Ärzte und Seelsorgenden schauen regelmässig herein, Alltagsgeräusche gelangen ins Zimmer und auch die Hauskatze kommt ganz gezielt auf ihrem Streifzug vorbei.» Für die 15 bis 20 Menschen, die jährlich hier sterben, gibt es spezielle Abschiedsrituale. Das Erlenhausteam zieht den Toten schöne oder typische Kleidung an und bettet sie in den Sarg. In einem Aufbahrungsraum können Verwandte und Bekannte Abschied nehmen.
Wenn der Bestatter den Sarg dann abholt, geschieht dies für alle sichtbar durch den Haupteingang. Heimbewohner und Mitarbeitende sind eingeladen, Spalier zu stehen und dem Verstorbenen so die letzte Ehre zu erweisen. Ein Angebot, so Meierhofer, von dem viele Gebrauch machen. «Zahlreiche Bewohner sagen mir, die Vorstellung, dass auch sie einmal so verabschiedet werden, sei für sie tröstlich.»





Was ist Palliative Care?
Palliativ kommt vom lateinischen Wort Pallium = Mantel. Die Sterbenden ­sollen gleichsam umhüllt, geschützt, geborgen sein. Mit Palliative Care ist eine interdisziplinäre Versorgung von Menschen mit unheilbaren, fortgeschrittenen Krankheiten gemeint. Im Austausch mit den verschiedenen Fachpersonen, den Betroffenen und den Angehörigen wird versucht, die betroffene Person ganzheitlich und individuell wahrzunehmen und zu betreuen. Ziel ist, sie mit ihren physischen, psychischen, sozialen und spirituell-religiösen Nöten und Anliegen ernst zu nehmen und so eine möglichst gute Lebensqualität zu erreichen. PD



Zum Bild: Heimbewohner und Angestellte geben das letzte Geleit: ­Verstorbene verlassen das Engelberger Erlenhaus für alle sichtbar durch den Haupteingang. | ZVG

Annette Meyer zu Bargholz

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