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«Ein Umbruch erlaubt es, Ungewohntes zu wagen»

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01.01.2016
Aktuelle Themen in einen Diskurs zwischen Gesellschaft und Kirche zu stellen, ist Ziel der neuen Studienleiterin des Forums für Zeitfragen, Anja Kruysse. Die neue Leiterin hat Bodenhaftung, Humor und die Gabe, auf Menschen zugehen zu können.

Das Schwierigste vorweg: Sie heisst Anja Kruysse, ausgesprochen Kreusche. Und damit sind wir mitten in der Biografie der neuen Studienleiterin des Forums für Zeitfragen. Der Name verrät ihr Herkunftsland, die Niederlande. Dort verbrachte Anja Kruysse indes nur ihr erstes Lebensjahr, dann zog die Familie über England nach Bolligen in die Schweiz. Es sollte nicht der letzte Ortswechsel sein. Das hört man, wenn Anja Kruysse aus ihrem Leben erzählt, denn ein bestimmter Dialekt lässt sich nicht erkennen. «Auch Holländisch kann ich mehr schlecht als recht», fügt sie bei.
Die Schweiz der 70er-Jahre lernte die Familie Kruysse wie im Film «Die Schweizermacher» kennen, denn Anja Kruysse kann Jassen und isst gerne Fondue. «Beides wurde damals als Aufnahmekriterium von der Einbürgerungsbehörde getestet», erzählt sie aus jener Zeit und lacht herzlich darüber.

Selbstvertrauen vermitteln
Beim nächsten Eignungstest musste sich Anja Kruysse nicht auf das Urteil anderer verlassen. Dann nämlich, als es galt, eine Studienrichtung festzulegen. «Ich wollte zuerst Philosophie studieren, aber das war mir zu abstrakt.» Die Entscheidung fiel dann zwischen Physik und Theologie. Nicht ein christlich geprägtes Elternhaus gab den Ausschlag zugunsten der Theologie, sondern die Grossmutter. «Sie vertrat einen eher evangelikalen Glauben. Gegen ihre manchmal sehr einengenden Ansichten fehlten mir die stichhaltigen Gegenargumente.» «Besserwisserei» sei die Motivation gewesen, den Dingen in der Theologie auf den Grund zu gehen. Die Absicht, den Pfarrberuf auszuüben, stand bei der Studienwahl nicht im Vordergrund.
Nach bestandener Prüfung folgten dennoch ein Vikariat und diverse Stellvertretungen in der Kirchgemeinde Küsnacht am Zürichsee. Zwei Jahre schnupperte sie gerne Pfarrhausluft, dann wechselte Anja Kruysse nach Solothurn und arbeitete für drei Jahre in einem Arbeitslosenprojekt. In die Nordwestschweiz führte sie der Weg über die Fachstelle für Genderfragen und Erwachsenenbildung der Evangelisch-reformierten Kirche Baselland. «Anfangs ging es dort vor allem um Ermächtigungsfragen. Frauen sollten erkennen, dass ihre Meinung neben jener von männlichen Pfarrpersonen Bestand hat. Ausserdem standen Fragen der Ökumene auf dem Tagesprogramm. Später hat sich der Schwerpunkt hin zu interreligiösen Fragestellungen verlagert», sagt Kruysse.
Verlagert hat sich dann ein weiteres Mal ihr Wirkungsort, und zwar nach Bern. Dort arbeitete sie im Bereich Gemeindedienste und Bildung für projektorientierte Freiwilligenarbeit. «Normalerweise arbeiten Kirchgemeinden angebotsorientiert. In Bern war es eine meiner Aufgaben, teilnehmende Ansätze in der Freiwilligenarbeit zu entwickeln und zu fördern. Ein Beispiel aus der Berner Kirche liegt ihr besonders am Herzen. In der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn findet seit 1913 jährlich am ersten Sonntag im Februar ein «Kirchensonntag» statt. Ein Sonntagsgottesdienst, der von A bis Z von Laien gestaltet und durchgeführt wird. Dabei wird keine Liturgie vorgegeben. Anja Kruysse: «Ein solcher Sonntag wäre auch in anderen Regionen ein Gewinn und deshalb nachahmenswert.»

Neue Kooperationen suchen
Einen Freiraum besitzt Anja Kruysse nun auch als neue Studienleiterin des Forums für Zeitfragen. Als sie mit ihrer Arbeit begann, war der Raum fast etwas zu frei, denn sie musste innert kürzester Zeit ein Programm zusammenstellen. «Das ist uns geglückt, weil ich auf die Erfahrung von Anette Berner, der administrativen Leiterin, bauen konnte.» Nicht als unsicher, sondern als spannend beurteilt sie die Situation in Basel: «Hier ist etwas im Umbruch und am Entstehen. Das lässt Raum offen, den wir kreativ nutzen können.» An Ideen fehlt es ihr nicht und auch nicht daran, auf Menschen zuzugehen.
Dabei sind auch ungewöhnliche Kooperationen nicht tabu. Mit einem Orchester führt sie derzeit Gespräche, um zu einem Konzertprogramm eine gemeinsame Veranstaltung zu gestalten. Man spürt ihr Interesse, Bildung lustvoll zu vermitteln.
Mit Freude geht Anja Kruysse in ihrer Freizeit mit der Familie wandern. Senkrecht oder waagrecht lautet hier ihr Motto: steile Berge oder flacher Norden. Die neue Studienleiterin liest gerne Krimis. Mit Freunden zusammen sein und bei einem Glas Wein fein essen, schätzt sie sehr. Und dann ist da noch ein Grüppchen, mit dem sie hin und wieder philosophiert. Die nicht berücksichtigte Studienrichtung hat ihre Spuren hinterlassen. Bei den Menschen Spuren zu hinterlassen, das wünscht sich Anja Kruysse vom neuen Programm.


Zum Bild: Anja Kruysse, neue Studienleiterin des Forums für Zeitfragen, möchte einen Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft zu aktuellen Themen ermöglichen.

Franz Osswald

Links:
www.forumbasel.ch

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