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Tür an Tür mit Mönchen leben

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01.01.2016
Mit Mönchen das klösterliche Leben teilen, ohne selbst einer zu werden. Das Luzerner Kapuzinerkloster Wesemlin macht das bald möglich auch für Frauen.

Wenn Walter Ludin, Kapuziner und Journalist, dieser Tage über das Klostergelände auf dem Luzerner Wesemlin-Hügel spaziert, muss er häufiger den Verkehrslotsen spielen. Im Südflügel des 426 Jahre alten Klosters hat nach Ostern eine ärztliche Gemeinschaftspraxis ihren Betrieb aufgenommen. Noch ist nicht alles ausgeschildert und so verläuft sich der eine oder andere Patient auf dem grossen, von einer dicken Mauer umgebenen Grundstück.
Zwischen Handwerkern und Baumaschinen ist es seit längerem vorbei mit der klösterlichen Ruhe vergangener Tage. Die Luzerner Kapuziner wagen neue Wege. Mit der «Oase-W», wie sich das Projekt nennt, will sich das Kloster zu einem lebendigen, spirituellen Zentrum wandeln. «W» steht für Wesemlin, die «Oase» verweist auf eine neue Form von Gemeinschaft und Leben im Kloster.
Nachwuchs fehlt
Die Luzerner Kapuziner kämpfen, wie auch andere Ordensgemeinschaften, mit Nachwuchsproblemen. 200 Kapuziner umfasst die Gemeinschaft hierzulande, vor 50 Jahren waren es rund vier Mal so viele. Mehrere Standorte mussten bereits aufgegeben werden 2004 etwa das Kloster in Stans, 2009 jenes in Altdorf. In Luzern allerdings hat man beschlossen, nicht tatenlos zuzusehen. Das Kloster, in dem heute noch 15, teils betagte, Brüder leben, wollen die Kapuziner erhalten: Es dient als Sitz der Provinzleitung und verfügt über eine wertvolle Bibliothek.
Als Bettelorden sind die Kapuziner auf Einkünfte von aussen angewiesen. Waren es früher vor allem die Gehälter und Renten der Mitbrüder, ermöglichen es heute Mieter wie die Arztpraxis, die historischen Gebäude instand zu halten. Mit dem Angebot «Klosternahes Wohnen» wollen die Kapuziner nun in Luzern spirituell suchenden Menschen die Möglichkeit bieten, in einem klösterlichen Umfeld zu leben. Bedingung für einen Einzug in eines der zehn 25 bis 35 Quadratmeter grossen Studios mit WC und Dusche ist eine «christliche Sozialisation». «Auch Reformierte können bei uns einziehen», erklärt Walter Ludin. Physische und psychische Gesundheit werden vorausgesetzt sowie die Bereitschaft, das klösterliche Leben mitzutragen. Frühstück und Mittagessen können mit den Mönchen eingenommen werden, auch ihren Gebeten dürfen sich die neuen Bewohner anschliessen. Um die Privatsphäre der Brüder ein Stück weit zu schützen, bleiben die Kapuziner beim Abendessen unter sich. Auch ist ihr Wohnflügel vom Flügel der Mieter abgetrennt.
Das Interesse, im Kloster zu leben, ist gross. 60 Bewerbungen für die zehn Appartments gingen ein. «Einigen mussten wir gleich absagen, etwa den Eltern, die einen Platz für ihre behinderte Tochter suchten oder einem 85-jährigen Senior. Wir können hier kein betreutes Wohnen anbieten», so Ludin.
«Es wird eine neue Art von Klosterleben», sagt Ludin, der sich über die Öffnung freut. Natürlich, räumt er ein, sei es auch ein Ausprobieren. Dass auch Frauen einziehen werden, ist für den Kapuziner kein Widerspruch zum Klosterleben. «In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert. Als ich 1967 das Ordensgelübde ablegte, mussten die angereisten Mütter der Novizen noch in einem separaten Speisesaal essen. Heute gehen Frauen, als Küchenhilfen oder Pflegerinnen, im Kloster ein und aus.» Dass sie bald auch dort wohnen werden, sei eine «Herausforderung» aber «auch eine Chance, dass sie unser Leben mitgestalten».

Alte Mauern, neue Nutzung
Dass Klöster nach neuen Einkunftsquellen suchen, ist nicht neu. Viele bieten seit langem Ruhesuchenden Übernachtungsplätze für temporäre Auszeiten an. In jüngster Zeit entstehen in den historischen Gebäuden aber auch zunehmend Wohnungen. Ein Trakt des Benediktinerinnen-Klosters St. Lazarus in Seedorf, Uri, wurde im vergangenen Jahr zu sechs Alterswohnungen umgebaut. Auch im Kanton Schwyz werden kirchliche Gemeinschaften zum Motor für die Entstehung erschwinglichen Wohnraums. Im Bezirk Küssnacht mangelt es nicht an luxuriösen Neubauten. Was fehlt, ist ein ausreichendes Angebot an preisgünstigen Wohnungen für junge Familien, aber auch für Rentner. Hierfür stellt die Missionsgesellschaft Bethlehem in Immensee 21 000 Quadratmeter Land im Baurecht zur Verfügung. 450 Personen sollen später dort eine neue Heimat finden.
Auch im Kapuzinerkloster Wesemlin geht der Baubetrieb weiter. Architekturmodelle in den Fluren lassen bereits die nächste Bauetappe erahnen. In einem Neubau auf dem Klostergelände sollen bis 2018 noch 30 Zweieinhalb- und Dreieinhalbzimmer-Wohnungen entstehen.



Gästival
Auch kirchliche Veran­stalter wirken mit beim ­Gästival, dem Festival der Gastfreundschaft, das vom 29. Mai bis 4. Oktober in der Zentralschweiz stattfindet. So lädt das Antoniushaus Mattli zu einer «Franziskanischen Tavolata» ein. ­Bei Essen und Wein erzählen Schwester Christiane Jungo, Klosterfrau in ­Ingenbohl, und Bruder Gebhard Kurmann, Kapuziner in Luzern, am 26. Juni und 14. August von Franziskus Lebenskunst.


Zum Bild: Kapuziner Walter Ludin in einem der neu entstandenen
Wohnstudios. Die alten Balken bilden einen gewollten Kontrast
zur modernen Innenausstattung. | MZB

Annette Meyer zu Bargholz

Links:
Mehr unter www.gaestival.ch

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