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Montagskrimi: Rotkehlchens Abgesang

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01.01.2016
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Die klaffende Wunde am Hals schien zum Himmel zu schreien, als wärs der Abgesang eines Rotkehlchens. Kein schöner Anblick. Der Kopf war fast gänzlich vom Rumpf getrennt. Der Mörder hatte sich keine Mühe gegeben, die Leiche zu verstecken, im Gegenteil: Das Blutrot der offenen Kehle verfehlte seine Signalwirkung nicht, die Leiche war nicht zu übersehen. Ja, sie lag wie auf dem Silbertablett präsentiert genau vor dem Eingang des bekannten PR-Unternehmens Johannsen & Teufer. Dass sie erst gegen Morgen entdeckt wurde, lag daran, dass das imposante Eingangsportal zur Strasse hin von einer mannshohen Mauer abgeschirmt wurde. Nur wer zum PR-Imperium wollte, stiess unweigerlich auf die übel zugerichtete Leiche, und das war vor sieben Uhr niemand.

Kommissär Lukas Matthäus mit dem «Fussballgott» Lothar Matthäus weder verwandt noch verschwägert hatte keine Mühe, die Identität des Opfers festzustellen. Christian Rufer war über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Ein PR-Stratege, der mit allen Wassern gewaschen war, obwohl seine Texte und Werbe-Slogans staubtrocken daherkamen. Ein Wortasket, den die Kenner des Metiers deshalb nur «Rufer in der Wüste» nannten. Rufer polarisierte, seine Methoden waren umstritten. Zwar hatte er viele Anhänger, seine Gegner waren aber nicht minder zahlreich und das mit Grund. Für eine Kampagne zur Entkriminalisierung von Drogenabhängigen kreierte er für eine Plakatwerbung im Umfeld Öffentlicher Verkehrsmittel den Slogan «Menschen wie Du und ich. Auch Drögeler sind linientreu». Der Skandal war vorprogrammiert.

«War Rufer zu weit gegangen und die Täterschaft in der Werbebranche zu suchen?» Das fragte sich Kommissär Matthäus, wie er den Tatort mitten im Geschäftsviertel inspizierte. Den Toten aufgefunden hatte Herrmann Odes, ein skrupelloser, aber äusserst erfolgreicher Headhunter, der bleich auf der Sitzbank der Tramhaltestelle sass. Dass an der nahen Litfass-Säule Rufers Plakat hing, war Ironie des Schicksals. Ebenso der Umstand, dass ausgerechnet Odes die Leiche fand. Er, der um alles in der Welt verhindern wollte, dass Christian Rufer bei Johannsen & Teufer eingestellt wurde. Dass Herrmann Odes dies nicht gelungen war, kratzte an seiner Reputation im Business. Denn Odes war der Branchenkönig. Freund wie Feind nannten ihn je nach Standpunkt liebevoll oder hasserfüllt «Herodes».

Nicht dass Herrmann Odes Rufers PR-Künste nicht anerkannt hätte. Aber eben nur so lange, als er nicht selbst Gegenstand seiner Kampagne wurde. Doch genau das war vor einem Jahr der Fall. Rufer verbreitete überall unbeirrt, dass Odes seine erste Frau in die Wüste geschickt habe, um dank der gut situierten, aber ebenfalls verheirateten Hilde Köpfer die eigene Position in der Branche ausbauen zu können. Personalvermittlung in eigener Sache sozusagen. Das hatte seinem Unternehmen enorm geschadet. Davon erzählte er dem Kommissär indes kein Wort.

Kommissär Matthäus hatte nach einer kurzen Einvernahme Herrmann Odes erfahren, dass dieser zur Tatzeit zuhause gewesen sei und die Wohnung erst zwanzig Minuten vor dem Auffinden Rufers Leiche verlassen habe, was seine Frau und deren Tochter bezeugen können. Die anschliessende Befragung der Belegschaft und der beiden Patrons von Johannsen & Teufer hatte nichts Schlüssiges ergeben. Nur ein Mitarbeiter fehlte bei der Befragung, weil er sich im Laufe des Morgens wegen Übelkeit nach Hause begeben hatte. Kommissär Matthäus war sich sicher, dass der Mord mit Rufers PR-Tätigkeit zu tun hatte. Aber wo nur sollte er die Ermittlungen ansetzen? Er entschloss sich, noch den einen Mitarbeiter aufzusuchen, der am Morgen abwesend war, und am Abend mit seiner Frau in die Oper zu gehen.

*

Sechsmal klickte es. Die Handschellen schlossen sich um die Handgelenke von Herrmann Odes, seiner Frau und deren Tochter. Hilde Köpfer wurde wegen Anstiftung zum Mord verhaftet, Herrmann Odes und Köpfers Tochter wegen Beihilfe. Wenige Tage später konnte auch der Auftragsmörder, ein ehemaliger Gefängniswärter, dingfest gemacht werden.

Hilde Köpfers Ex-Gatte, Peter Böthes, arbeitet bei Johannsen & Teufer. Er war es, der sich wegen Übelkeit nach Hause begeben hatte, als er vom Mord an Christian Rufer hörte. Böthes war treibende Kraft, dass Christian Rufer in der Firma eingestellt wurde. Er und Rufer hätten das Personalvermittlungsunternehmen Herrmann Odes arg in Verruf bringen können. Für die Konkurrenz ein gefundenes Fressen und in einer Branche, in der Diskretion oberstes Gebot ist, das sichere Aus. Ja, diese Eifersucht! Hilde Köpfers Tochter, deren Reizen Herrmann Odes nicht widerstehen konnte, drängte auf Mutters Verlangen hin ihren Siefvater dazu, einen Auftragsmörder zu engagieren ¬ einen «Headhunter» in besonderer Mission. So kam es, dass Christian Rufer am Morgen des 24. Juni Herrmann Odes Geburtstag Opfer eines Berufskillers wurde.

*

Anerkennend klopfte Staatsanwalt Gottfried Zeugin Kommissär Lukas Matthäus auf die Schulter und frage ihn: «Wie bist Du eigentlich auf die Lösung des Falles gekommen?» Lukas Matthäus schmunzelte ¬ «In der Oper». «Was wurde gespielt?», wollte der Staatsanwalt wissen, der sich darauf keinen Reim machen konnte. «Salome. Der Rest stand in der Bibel».

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Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Franz Osswald schreibt unter dem Pseudonym «Wolf Zassdrjan. Seine Kriminalerzählung «Himmelnah Oskar Behrens auf Erkundung» erschien im Verlag: Book on Demands, 2015, ISBN: 978-3-7347-7604-5, ebook CHF 12., Paperback CHF 14.

Franz Osswald / 13. Juli 2015

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