Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

«Selbst über das Einräumen des Geschirrspülers streiten sie»

min
01.01.2016
In diesem Herbst feiert der Verein für Ehe- und Lebens- und Schwangerschaftsberatung sein vierzigjähriges Bestehen. Die beiden Beraterinnen Therese Hulmann und Hilde Spieler über die Stolpersteine in der Partnerschaft.

1974 litt Europa unter der Ölkrise. Die Rubettes sangen «Sugar Baby Love» und das Schweizervolk lehnte erstmals die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ab. Der katholische Frauenbund und der reformierte Frauenverein wollten den betroffenen Frauen jedoch etwas anbieten. Sie gründeten ein Jahr später, unterstützt von den drei Landeskirchen, den Verein für Ehe- und Lebensberatung Velso.
2015 feiert der Velso sein 40-Jahr-Jubiläum. Der Verein, der inzwischen auch vom Kanton unterstützt wird, unterhält Beratungsstellen in Solothurn, Olten, Grenchen und Breitenbach. Ihre Arbeit ist vielfältig. Die Ehe- und Partner- sowie Schwangerschaftsberatung suchen Paare, Einzelpersonen wie auch ganze Familien auf. Meist kreisen die Fragen um Beziehung, Erziehung, Patchworkfamilien, Trennung, Finanzen und die rechtliche Situation.

Die Grundthemen sind die gleichen geblieben
Heute sei es nicht schwieriger, eine Ehe zu führen, meinen Therese Hulmann und Hilde Spieler von der Regionalstelle Olten. Die Grundthemen seien die gleichen wie vor vierzig Jahren: fehlende Kommunikation, der Umgang mit Nähe und Distanz, die Erziehung oder Aussenbeziehungen. Therese Hulmann arbeitet seit 15 Jahren bei auf der Beratungsstelle, Hilde Spieler seit 23 Jahren.
Verändert habe sich der gesellschaftliche Rahmen. «Früher konnte man sich nicht so einfach trennen», sagt Spieler. «Die Frauen waren nicht berufstätig und vom Mann finanziell abhängig.» Mit dem neuen Scheidungsrecht ist dies seit 2000 anders. Verändert hätten sich auch die Möglichkeiten. Statt im Ausgang lernten viele ihre neuen Partner oder Partnerinnen im Internet und den Chaträumen kennen.
Die beiden Beraterinnen stellen fest, dass die Anforderungen und Erwartungen an die Partnerschaft gestiegen sind: Arbeit, Haushalt, Vater- und Mutterrolle. Er mimt zu Hause den verständnisvollen Zuhörer und markiert im Geschäft das «Alphatierchen», während sie im Beruf ihren Mann steht und im trauten Heim das «Mütterchen». Reibt man sich da nicht auf? «Ja», räumen Hulmann und Spieler ein. Man könne heute nicht mehr auf alte Muster zurückgreifen, sondern müsse ständig neue Rollen aushandeln und erarbeiten.
Oft entzündet sich der Krach an Banalitäten: Er will den Kleinen ins Bett bringen und ermuntert sie, am Abend wieder in den Turnverein zu gehen. Sie will jedoch nicht, dass er dies übernimmt. Wenn sich beide Partner an der Kindererziehung und am Haushalt beteiligen, komme es zu Konflikten. Selbst über das Einräumen des Geschirrspülers könne man sich in die Haare geraten. «Das sollte man besprechen», meint Therese Hulmann, «und dem anderen einräumen, dass er es auf seine Art gut macht.»

Wenn das Baby kommt und die Kinder ausfliegen
Schwierige Phasen in der Partnerschaft entstehen, wenn Paare Eltern werden oder die Kinder ausziehen. Kommt ein Baby hinzu, fühlt sich der Mann oft vernachlässigt und die junge Familie kann sich nicht mehr alle Hobbys und Ferien leisten. Sie muss sich einschränken. Fliegen die Kinder aus, sitzen die Eltern an den Wochenenden alleine da und fragen sich, was sie sich eigentlich noch zu sagen haben. Über Jahre haben die Kinder das Gespräch beherrscht. Die Eltern merkten nicht, wie sehr sie sich entfremdet haben.

Service an der Beziehung
«Die Partnerschaft wird auch zur Überforderung, wenn man auf der Vorstellung der romantischen Ehe beharrt und den Partner für das eigene Glück verantwortlich macht», erlebt Hilde Spieler immer wieder. Gerade weil Beziehungen herausfordern, sollte man an ihnen arbeiten. Falsch wäre es zu glauben, es «wird schon irgendwie gehen». Man sollte die Ressourcen ständig aktivieren, damit «immer Wasser über die Steine fliesst und die Steine nicht trocken liegen und plötzlich schmerzen». Mit dem Bild des Baches versuchen die Beraterinnen aufzuzeigen, wie wichtig die Quellen in der Partnerschaft sind.
Für einige Paare ist der «regelmäs­sige Service an ihrer Beziehung» so wichtig, dass sie zweimal im Jahr die Beratungsstelle aufsuchen. Viele jedoch kommen zu spät. Oftmals werden die Signale über Jahre hinweg nicht wahrgenommen. Kommt es zur Trennung, überrascht dies den einen aus heiterem Himmel, während es für den anderen schon länger nicht mehr stimmt. «In der Regel sind es die Frauen, welche die Probleme ansprechen, die ihre Männer geflissentlich ignorieren», erzählt Hulmann.
Auch die Trennung ist ein Prozess, den man begleiten sollte, sagt Hilde Spieler. Neben den rechtlichen und finanziellen Fragen sind da noch die Kinder. Wichtig sei, dass ein Paar auch nach der Scheidung als Eltern funktioniert.
Hulmann und Spieler fällt es schwer, Ratschläge für eine gute Partnerschaft zu geben. Die Beziehungen seien zu verschieden. Oftmals zeigen sie in der Sitzung auf das «M» auf der Tafel. Je nach Gesichtspunkt bildet der Buchstabe für den einen ein «M», für den anderen ein «W», und für den Dritten eine «3». Genauso sei es in Beziehungen. Man müsse es akzeptieren, dass es Unterschiede gebe und dass man den anderen nicht ändern könne. «Die Verschiedenheit kann so zur Bereicherung in der Partnerschaft werden.»



Beratungsstellen:
Solothurn: 032 622 44 33, solothurn@velso.ch
Olten: 062 212 61 61, olten@velso.ch
Grenchen: 032 652 19 22, grenchen@velso.ch
Regionalstelle Breitenbach: 061 781 34 49, breitenbach@velso.ch


Zum Bild: Kampf in der Küche: «Oft entzündet sich der Krach in der Partnerschaft an Banalitäten.» | tz

Tilmann Zuber

Unsere Empfehlungen