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Alles bleibt anders: Neuapostolische Kirche will die Ökumene

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01.01.2016
Bis heute haftet der Neuapostolischen Kirche (NAK) in der Öffentlichkeit der Ruf einer Sekte an. Dies möchte die Kirche ändern, weshalb sie offensiv eine Öffnung hin zur Ökumene anstrebt. Dafür erhalten die Verantwortlichen sogar Lob von einem langjährigen Kritiker der Kirche wenn auch verhalten.

Autoritäre Führung, simple Bibelauslegung und die Ansicht, die einzige wahre Kirche Christi in der Endzeit zu sein: Das Bild der Neuapostolischen Kirche (NAK) in der Öffentlichkeit ist bis heute wenig schmeichelhaft. Deshalb überraschte die Meldung, dass die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) der NAK im April 2014 den Gaststatus verliehen hatte. Seither läuft eine fünfjährige Diskussionphase zwischen der NAK und der AGCK über unterschiedliche theologische Standpunkte.

Verbindliche «Orientierungshilfe» für 160 NAK-Gemeinden

Die AGCK plant nun in Zusammenarbeit mit der NAK im November die Herausgabe einer «Orientierungshilfe». Empfänger der Schrift sind nebst den Mitgliedern der AGCK auch alle 160 NAK-Gemeinden in der Schweiz. Der Sprecher der Neuapostolischen Kirche Schweiz-Österreich, Walter Hessler, sagt, dass diese Orientierungshilfe «verbindlichen Charakter» habe. Verbindlich heisst, dass sich alle NAK-Gemeinden auf den «Weg in die Ökumene» begeben, inklusive «Taufanerkennung», «konfessionsverschiedene Ehen» und «Teilnahme an gottesdienstlichen Handlungen». Letztere im Sinne von «gemeinsamen Feiern und Gebeten», wie Hessler auf Anfrage präzisiert. Als Grundlage dient das im Dezember 2012 erstmals publizierte «Grundlagenwerk über den Glauben und die Lehre der Neuapostolischen Kirche».

Was trocken klingt, birgt durchaus Sprengkraft insbesondere für die konservativen NAK-Mitglieder. Die evangelisch-methodistische Pfarrerin Claudia Haslebacher, Vorsitzende der AGCK-Kommission für die Neuapostolische Kirche, sagt, dass es immer wieder Kirchen gab, die «sich öffneten», also liberaler wurden. «Was die NAK aber bisher und auch in Zukunft durchläuft, ist tatsächlich ein ausserordentlich intensiver Prozess. Diesen unterstützen wir von der AGCK mit Überzeugung», sagt Haslebacher.

Öffnung «kein leichtes Unterfangen»
Auch Georg O. Schmid von der evangelischen Informationsstelle für Kirchen, Sekten und Religionen begrüsst die ökumenische Öffnung der NAK. Die Informationsstelle kritisierte in der Vergangenheit mehrfach die Kirche bezüglich ihrer Kritikunfähigkeit und ihrem Anspruch auf Heilsexklusivität. «Von den sektenhaften Zügen der Vergangenheit hat sich die NAK zwischenzeitlich glaubwürdig verabschiedet», sagt Schmid. Das Image einer Sekte hafte ihr deshalb in Fachkreisen nicht mehr an. Und auch was die Kritikfähigkeit betreffe, habe sich die Kirche auf einen Lernweg begeben: «Auf Führungsstufen werden nun gar Kurse angeboten, um mit Kritik angemessen umzugehen.»

Dass die NAK sich aber einzig aus Imagegründen auf den Weg der Ökumene begeben habe, glaubt Schmid nicht. Vielmehr sei der Grund im Mitgliederschwund der Kirche zu suchen: «Die Anzahl Mitglieder in der Schweiz sind zwar gegenüber den 80er-Jahren nur um rund 6000 Mitglieder auf 33000 Mitglieder geschrumpft. Stark verkleinert hat sich aber der Anteil der aktiven Mitglieder.» Wurden früher nur Personen als Mitglieder gerechnet, die sich aktiv und auch finanziell am Gemeindeleben beteiligten, weist die heutige Zahl einen zunehmenden Anteil an Passivmitgliedern auf. Die ehemals recht strengen Regeln für Mitglieder durchzusetzen zu versuchen, hat die NAK nach Beobachtung von Schmid aufgegeben.

Offen bleibt für Schmid aber die Frage, wohin der Weg führt: Kommt es zu einer weiteren Öffnung oder beharrt die NAK auf einem exklusiven Selbstverständnis? Dabei gehe es um nichts weniger als um die Zukunft: «Gelingt der NAK die Öffnung nicht, marginalisiert sie sich völlig». Es gelte nun, die Kirchenbasis zu überzeugen. Das allerdings werde kein leichtes Unterfangen, glaubt Schmid: «Einen Teil der Mitglieder hat sich ja genau deshalb der NAK angeschlossen, weil sie damals den Geist einer exklusiven Gemeinschaft mit klaren, verbindlichen Regeln suchte.»

Der NAK-Basis das «ökumenische Miteinander» vermitteln
NAK-Sprecher Walter Hessler interpretiert die Situation anders. Den Mitgliederschwund als Grund zur Öffnung zu nennen, sei nachweislich falsch: «Die ersten Schritte hin zur Ökumene fanden in den 90er-Jahren statt. Da war der Mitgliederschwund noch kein Thema.» Vielmehr sei seit sehr vielen Jahren ein aufrichtiges Bemühen im Gang, wie die Neuapostolische Kirche mit anderen christlichen Kirchen ins Gespräch kommen kann, «um gemeinsam in der Nachfolge Jesu wirksam zu werden». Die geplante Abgabe der «Orientierungshilfe» an die NAK-Gemeinden solle dabei helfen: «Wir wollen die neuapostolischen Christen einbinden und ihnen vermitteln, warum das ökumenische Miteinander so wichtig ist.» Dass dies gelingen werden, davon sei er überzeugt, sagt Hessler.


Die Neuapostolische Kirche
Die Neuapostolische Kirche (NAK) ist eine internationale christliche Kirche. Die Grundlage ihrer Lehre bildet die Heilige Schrift. Entstanden ist sie 1863 aus der Katholisch-apostolischen Gemeinde und wird wie die ersten Christengemeinden von Aposteln geleitet.
Kern der neuapostolischen Glaubenslehre ist die Wiederkunft Jesu Christi zur Heimholung derer, die sich darauf vorbereiten liessen. Die NAK legt laut eigenen Angaben «Wert auf das eigenverantwortliche Handeln ihrer Mitglieder». Somit ist der Einzelne Gott gegenüber für sein Verhalten verantwortlich. Orientierung hierfür sei das Evangelium Jesu Christi und die Werteordnung, die sich aus den den Zehn Geboten ableitet. Die Kirche zählt gemäss eigenen Angaben weltweit rund zehn Millionen Anhänger und finanziert sich aus freiwilligen Spenden der Mitglieder.

Die «Orientierungshilfe» wird ab November auf der Website der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) in Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar sein.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: Die Neuapostolische Kirche besitzt seit April 2014 den Gaststatus in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz. Das Bild zeigt ein Gotteshaus der Neuapostolischen Kirche in Deutschland.
Wikimedia

Oliver Demont / ref.ch / 3. September 2015

Links:
Website der AGCK
Katechismus der Neuapostolischen Kirche

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