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«Die Kirche hat da ein Riesenpotenzial!»

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01.01.2016
Pfarrerin Jacqueline Sonego Mettner setzt sich für Flüchtlinge ein: In der Zürcher Synode und in ihrer Kirchgemeinde in Meilen am Zürichsee, wo sie eben ein Café für Migrantinnen und Migranten auf die Beine gestellt hat.

Jacqueline Sonego Mettner sitzt zwischen Almaz und Rezan, zwei lebhaften Frauen aus Eritrea, und hört aufmerksam zu. Mehr als fünfzehn Frauen sind da, und ein munteres Stimmengewirr erfüllt das Café «Grüezi International». In einer Ecke purzeln zwei Kinder übereinander, in der anderen installiert eine Reporterin von «20 Minuten» eine Kamera.

An diesem Montag ist das Café «Grüezi International» eröffnet worden und hat einen «Superstart» hingelegt, wie die Initiantin und Meilemer Pfarrerin Jacqueline Sonego Mettner in einem Nebenraum sagt. «Auch eine Ex-Pat ist da, und das ist gut. Das Angebot der reformierten Kirchgemeinde richtet sich an alle, die sich vernetzen und ihr Deutsch anwenden wollen. Grossartig auch, dass Frauen gekommen sind, die mithelfen wollen.»

Enttäuschung in der Synode
Sonego Mettner hat sich bereits an der Zürcher Synode vom 9. Juni ins Zeug gelegt für Flüchtlinge. In einer Interpellation wollte sie wissen, was der Kirchenrat für Flüchtlinge zu tun gedenke. Mit seiner Antwort war sie «befriedigt», aber nicht «restlos», wie es im Synodenprotokoll heisst. Eine Diskussion über das Thema lehnte die Synode ab.

«Das hat mich sehr enttäuscht», erzählt Sonego Mettner, «vermutlich wollte man damals die Auseinandersetzung vermeiden, ob christliche Flüchtlinge bevorzugt werden sollten.» Der Kirchenrat hat dies in der Antwort angedeutet, für sie ein Unsinn.

Oft steht sie in der Synode auf und trägt ihre Anliegen klug und beherzt vor. «Aufstehen» ist für sie nicht einfach ein physischer Vorgang: «Ich würde mich für eine Kirche schämen, in der niemand für die an den Rand Gedrängten aufsteht.»

Biographische Prägung
Deshalb stand sie auch auf, als in einer anderen Synode ein Mitglied des Kirchenrates indirekt erklärt hatte, der Islam kenne keine Barmherzigkeit. Sie erinnerte daran, dass Allah immer zuerst mit der «Allbarmherzige» angeredet wird.

Woher stammt ihr dezidiertes Engagement für Flüchtlinge? Natürlich muss man sich als Pfarrerin für Menschen einsetzen, die auf der Flucht sind. Das sagt auch Sonego Mettner: «Der Kern der christlichen Existenz bedeutet: Einstehen für Menschen, die in einer prekären oder fragilen Situation sind.»

Aber bei der Pfarrerin, die mit wachen, klaren, manchmal auch schalkhaften Augen durch eine randlose Brille blickt, gibt es noch weitere Gründe. «Mein erster Mann war ein Secondo aus Italien. Ich habe sehr nah mitbekommen, wie belastend die damalige Fremdenfeindlichkeit gegenüber Italienern für seine Familie war.» Und ihr jetziger Mann flüchtete als Kind aus der DDR via Berlin nach Westdeutschland. Während des Studiums hat sie sich zudem intensiv mit Befreiungstheologie befasst. Und gerade als christliche Theologin müsse sie auch bezüglich Antisemitismus wachsam sein und darüber selbstkritisch reflektieren.

Eine gewisse Genugtuung
In der Synode im Juni konnte man noch nicht absehen, welche Dramatik das Thema Flüchtlinge entwickeln sollte. Sonego Mettner hat durch die sich überstürzenden Ereignisse Recht bekommen. Freut sie das? «Nein, dazu ist der Anlass zu traurig. Aber ich spüre eine gewisse Genugtuung und hoffe, dass die nun aufgekommene Solidarität anhält.» Und der Zürcher Kirchenrat solle deutlichere Zeichen setzen, damit sich die Menschen via Kirchgemeinden engagieren können - nicht moralisierend, aber ermutigend. «Da hat die Kirche mit ihrer kleinräumigen Organisation ein Riesenpotenzial!»

Die Türe des Nebenraums öffnet sich, und Solomon und Emer kommen herein und schütteln der Pfarrerin die Hand. Die jungen Männer stammen aus Eritrea, wohnen in Meilen und sind via Libyen, Mittelmeer und Italien in die Schweiz gekommen. Emer ist Muslim, Solomon Christ und Vater einer dreimonatigen Tochter, die er noch nie gesehen hat. Sonego Mettner steht auf und nimmt die beiden mit ins Café «Grüezi International». «Jetzt sind auch die Männer gekommen», sagt sie lachend.


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Zum Bild: «Ich würde mich schämen für eine Kirche, in der niemand für die an den Rand Gedrängten aufsteht», sagt Jacqueline Sonego Mettner.
Matthias Böhni/ref.ch

Matthias Böhni / ref.ch / 10. September 2015

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