«Ich sehe das Risiko eines Reputationsschadens»
Zurzeit läuft die Unterschriftensammlung zur Konzernverantwortungsinitiative. Schweizer Konzerne sollen Verantwortung übernehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung, die durch ihre Geschäfte im Ausland geschehen. Dieses Anliegen ist unbestritten. Doch der Bundesrat möchte die Unternehmen statt mit Gesetzen lieber mit freiwilligen Vereinbarungen in die Pflicht nehmen. Lanciert von Frauen-, Menschenrechts- und Umweltorganisationen erscheint die Konzernverantwortungsinitiative auf den ersten Blick als Anliegen «linker Verbände». Jeanne Pestalozzi jedoch ist überzeugt, dass die Wirtschaft davon profitieren kann. Die ehemalige Zürcher Kirchenrätin ist Stiftungsratspräsidentin von «Brot für alle» und Mitglied einer Unternehmerfamilie. Die Pestalozzi Gruppe, tätig in den Bereichen Stahl- und Haustechnik, setzt pro Jahr 157 Millionen Franken um und beschäftigt 306 Mitarbeitende.
Jeanne Pestalozzi sieht keinen Widerspruch zwischen Engagement für die südlichen Länder und Wirtschaftlichkeit. Die Schaffung von Gesetzen, welche die Auslandtätigkeit von Schweizer Konzernen regelt, versteht sie als Chance, in der Wirtschaft einen fairen Wettbewerb umzusetzen. Die Befürchtung, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz geschwächt wird, wenn die Initiative angenommen wird, kann sie nicht nachvollziehen: «Ich halte diese Befürchtung für übertrieben. Worin der Schaden für den Wirtschaftsstandort Schweiz bestehen soll, wenn Unternehmen dazu verpflichtet werden, das zu tun, was sie teilweise heute schon tun, kann ich nicht erkennen. Hingegen sehe ich das Risiko eines Reputationsschadens sowohl für die betroffenen Unternehmen wie für die Schweiz, wenn Umsatz und Gewinn durch die Vernachlässigung von Menschenrechten und Umweltstandards zustande kommen sollten.»
Erfolg und Image
Die Pestalozzi Gruppe hat keine Tochtergesellschaften im Ausland. Wichtige Lieferanten verfügten jedoch über die nötigen Zertifikate im Umweltschutzbereich, betont Pestalozzi. «Der unternehmerische Erfolg hängt auch vom Image ab. Darum halten viele Unternehmen in ihren Leitbildern fest, dass sie sich fair und nachhaltig verhalten wollen. Viele tun heute schon freiwillig, was die Initiative als Standard für alle verlangt. Als Unternehmerin hätte ich ein Interesse daran, dass die Regeln für alle Mitbewerbenden die gleichen sind, auch für die internationalen Grossunternehmen.»
Werde die Initiative vom Parlament umgesetzt, gebe es mehrere Verbesserungen, meint Jeanne Pestalozzi: «Im Süden wird die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards gestärkt. Sollten diese trotzdem verletzt werden, können sich die Betroffenen wehren und die nachlässigen Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Im Norden bekommen die Unternehmen einen verbindlichen Massstab. Dieser wirkt präventiv und schützt sie im Falle einer Klage vor ungerechtfertigten Forderungen.» Des Weiteren werde der Wettbewerb für diejenigen Unternehmen fairer, welche sich heute schon freiwillig an die von der Initiative geforderten Standards halten.
International entstünden der Schweiz ebenfalls Vorteile, wenn die Initiative angenommen würde, glaubt Pestalozzi: «Die Schweiz stärkt ihre Position im internationalen Dialog. Die Uno hat Richtlinien erlassen, welche in den Parlamenten verschiedener Länder behandelt werden. Setzt die Schweiz die Konzernverantwortungsinitiative um, behält sie das Gesetz des Handelns in der Hand und kann nicht unter Druck gesetzt werden.»
Jeanne Pestalozzi weist darauf hin, «dass Prävention besser ist, als den Schaden mit Entwicklungszusammenarbeit nachträglich zu flicken». Zudem seien «wir im Norden ebenfalls betroffen, einerseits von der Wirtschaftsmigration sowie von den Folgen der Umweltzerstörung».
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Zum Bild: Jeanne Pestalozzi: «Als Unternehmerin hätte ich ein Interesse daran, dass die Regeln für alle Mitbewerbenden die gleichen sind, auch für die internationalen Grossunternehmen.»
Adriana Schneider, Karin Müller / Kirchenbote / 25. September 2015
«Ich sehe das Risiko eines Reputationsschadens»