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«Plötzlich stand meine tote Schwester im Raum»

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01.01.2016
Kontakt mit den Verstorbenen im Jenseits das ist trendy im Esoterik-Business. Und Alex Hurschler ist einer, der den Brückenschlag zwischen hienieden und dem Totenreich als Medium ermöglichen kann.

Alex Hurschler hat einen besonderen Draht zu Menschen, mit denen für andere jeder Kontakt abgeschnitten ist - zu den Verstorbenen. Hurschler ist weit entfernt von dem Klischee des Magiers mit Dämonenblick. Mit strahlenden Augen kommt er den Betrachtern seiner Webseite entgegen, ein herzliches Lachen im Gesicht. Angenehm ist seine Stimme am Telefon ein Mensch eben, der andere Menschen für sich einnehmen kann.

Kind mit Sensorium
Schon als Kind hat er übersinnliche Anwandlungen erlebt. In der Jugendphase betäubte er seinen siebten Sinn mit Drogen und Alkohol. Unmittelbar nach dem Tod seiner geliebten Schwester kam der biographische Wendepunkt. «Plötzlich stand sie im Raum. Mein Verstand sagte: Das kann nicht sein.» Aber die Schwester blieb beharrlich bei ihm. Sie redeten miteinander. Und sie gab ihm den Rat, mehr aus seiner seltenen Gabe zu machen.

Heute ist Hurschler eine der ersten Adressen in der Schweiz für Menschen, die wünschen, mit ihren Verstorbenen in Kontakt zu treten. «Das ist nicht mein Brotberuf» sagt er. Denn die Verbindung mit den Toten strenge physisch wie psychisch an. Immer gehe es um den Tod, oft auch um ein schweres Schicksal. «Da ist es gut, dass ich früher Militärpolizist auf dem Balkan war. Ich weiss, was der Mensch anderen Menschen an Brutalität antun kann.» Deshalb begrenzt der Familienvater seine Sitzung auf vier bis sechs Sessions die Woche.

Seelsorgerisch im Jenseits
Hurschler versteht sich als eine Art Seelsorger, der berichtet, dass die Verstorbenen im Jenseits eine neue Existenz angenommen haben, dass sie verzeihlich gestimmt sind, dass sie bereit sind, das Nichtaufgearbeitete ihrer Erdenexistenz hinter sich zu lassen. «Das ist für viele erleichternd», sagt er. Zu ihm kommen oft Menschen, deren Angehörige oder Lebenspartner plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Nun wollen sie Unerledigtes mit dem Verstorbenen besprechen.

Wie aber kann er die Verbindung herstellen? Nur den Todestag, das Alter und in welcher Beziehung der Ratsuchende zu der Person stand, müsse er wissen. «Dann fühle ich, spüre ich die Person. Manchmal schmecke ich noch in meinem Mund die bitteren Medikamente, die der Verstorbene vor seinem Tod eingenommen hat», sagt Hurschler. Zum Schluss könne er nicht nur die Todesursache bestimmen, sondern auch die Charaktereigenschaften des Verstorbenen benennen.

Autosuggestives Verfahren
Für Georg O. Schmid von der evangelischen Informationsstelle Kirchen-Sekten-Religionen ist Hurschler kein schauspielernder Scharlatan: «Sowohl der Klient wie das Medium glauben fest an ihre Wahrnehmungen.» Aber was die beiden scheinbar erleben, beruht seines Erachtens mehr auf gegenseitiger Suggestion. «Beide wollen ja unbedingt den Kontakt mit dem Jenseits herstellen.» So teilt das Medium seine Eindrücke vom Verstorbenen mit, worauf der Kunde Zutreffendes bestätigt und Falsches korrigiert. Das Medium verstärkt nun die vom Klienten bestätigten Informationen und berichtigt die unstimmigen, womit es sich dem Wesen des Verstorbenen immer mehr annähert. Zum Schluss steht der Verstorbene vermeintlich im Raum.

Aber sind die sprechenden Seelen der Verstorbenen nicht eine Erscheinung mit einer jahrtausendalten Tradition? Schmid verneint das und sagt: «Erst der englische Spiritismus im 19. Jahrhundert hat diese Idee, mit den Verstorbenen in Verbindung zu treten, in unserem Kulturkreis salonfähig gemacht.» Die Vorstellung über Medien mit Verstorbenen zu sprechen, breitet sich nach seiner Ansicht zusehends auch in kirchlichen und säkularen Kreisen aus.

Reflexion über Esoterik
Spirituelle und esoterische Trends aufzunehmen und zu reflektieren, ist dem Theologen Adrian Marbacher ein Anliegen. «Unsere Veranstaltung richtet sich an Menschen, die oft mit der Kirche nichts mehr zu tun haben wollen, aber spirituell sehr ansprechbar sind.» Jungen Menschen auf der Suche nach spiritueller Orientierung «sind persönliche Begegnungen wichtig, nicht Vorträge über esoterische Praktiken», so Marbacher. Eine Werbeshow soll der Auftritt Hurschlers keineswegs sein. Denn an den Vortrag schliesst sich eine Phase der Reflexion mit kritischen Fragen an.

Nicht ganz zufällig wird Hurschler an Allerheiligen auftreten. An diesem Feiertag besteht bis heute in vielen katholischen Gegenden vom Volksglauben her inspiriert eine spezielle Beziehung zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen. Der aus dem Entlebuch stammende Theologe sagt denn auch: «Die katholische Kirche hat es schon immer verstanden, Volksfrömmigkeit und offizielle Lehre miteinander zu integrieren.»


Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».


Veranstaltung
Am Sonntag, 1. November, tritt Alex Hurschler in Zürich um 17 Uhr im Viadukt unter der Hardbrücke auf (Haltestelle Dammweg, Tram 4, 13, 17) - im Rahmen der Vortragsreihe GEISTlabor. Dieser Veranstaltungszyklus spürt experimentell neuen Formen der Spiritualität nach.


Zum Bild: Kontakt mit dem Totenreich: Schädelwand im Beinhaus Stans
Foto: Delf Bucher

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