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Engagement im Konflikt mit dem Gesetz

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07.06.2016
Eine katholische Person will in einer reformierten Kirchenbehörde mitarbeiten. Geht nicht, heisst es bei Fachleuten. Auch wenn die Gemeinde dringend Leute braucht.

Sich fürs Gemeinwesen einzusetzen, ist in den vergangenen Jahren zunehmend aus der Mode geraten. Zumindest wenn es um traditionelle Formen wie Gemeinderäte oder Kirchgemeinderäte beziehungsweise Kirchenpflege geht. «Dass es schwieriger wird, öffentliche Ämter zu besetzen, ist seit Jahren ein Phänomen», bestätigt Hansruedi Spichiger. Der Pfarrer und ehemalige Beauftragte für kirchliche Angelegenheiten beim Kanton Bern ist heute Präsident des Berner Kirchgemeindeverbandes.

Auch die Kirchgemeinde Walperswil-Bühl im Berner Seeland bekommt das sinkende Interesse an Ämtern zu spüren. Vier Jahre lang wirkte die Behörde mit Unterbesetzung. Doch dann zeigte sich jemand sehr interessiert, im Kirchgemeinderat mitzuwirken – und die Ratsmitglieder gerieten in eine Zwickmühle: Die Person ist katholisch und möchte nicht konvertieren.

Eckwerte der Gemeinden
Gemäss der Verfassung der Berner Landeskirche geht das nicht: Gewählt werden kann nur, wer 18 Jahre alt ist – und Mitglied der Reformierten. Eine eindeutige Sache auch in den Augen des Kirchgemeindeverbandspräsidenten: «Das sind die Eckwerte der Gemeindegesetzgebung: Man kann dort mitbestimmen, wo man Mitglied ist», hält Spichiger fest.

Der Präsident der Kirchgemeinde Walperswil-Bühl hingegen bedauert die strikten Vorgaben. In seiner Kirchgemeinde verstehe man das nicht, sagt Urs Hänni: «Es geht ja darum, in einem sozialen Gefüge mitzuarbeiten. Und wir sollten doch nicht noch Steine in den Weg legen, wenn sich schon jemand einbringen will.» Zudem sei der Ehe-Partner der Person reformiert, die Kinder ebenfalls. So ist Hänni von der strengen Haltung der reformierten Kirche «masslos enttäuscht».

Die Vorgabe der Volljährigkeit und der Mitgliedschaft in der entsprechenden Kirche ist tatsächlich ein Grundstein der Schweizer Kirchgemeinden. In Zürich und Basel etwa ist das genau gleich in den jeweiligen Kirchenordnungen festgehalten. Und Bestrebungen, diese Anforderungen aufzuweichen, gibt es zurzeit offenbar nicht.

Möglichkeiten des Engagements
Das bestätigt unter anderem Peter Wilhelm, Behördenschuler bei der Zürcher Landeskirche: «Die rechtlichen Voraussetzungen sind gegeben, da schräubeln wir nichts.» Hingegen änderten sich mit Fusionen der Kirchgemeinden zu grösseren Einheiten die Umstände und Anforderungen an die Mitglieder der Kirchenpflegen. Und falls eine Person mitwirken möchte, die die Anforderungen nicht erfüllt, gebe es ja «vielfältige Möglichkeiten», sich zu engagieren.

Diesen Vorschlag macht auch Hansruedi Spichiger. Und bei Vakanzen über längere Zeit müssten eben andere Lösungen ins Auge gefasst werden: «Wenn ein Gemeinwesen nicht mehr genug Leute finden kann, um zu funktionieren, wie es vorgeschrieben ist – dann müsste man sich Gedanken machen, ob das Gemeinwesen noch eigenständig bleiben oder eventuell mit anderen zusammengehen soll.»

Wege bei Ungehorsam
Was aber, wenn sich eine Kirchgemeinde um die Vorgaben foutiert? Und eine Person in die Behörde wählt, die gar nicht gewählt werden dürfte? Dann passiert nichts, solange dies niemand irgendwo meldet. «Die Kirchgemeinden haben die gleiche rechtliche Basis wie politische Gemeinden. Für den Rechtsweg müsste also jemand beim Statthalteramt vorstellig werden», sagt Kirchgemeindeverbandspräsident Spichiger. Dieses wiederum müsste die Wahl für ungültig erklären. Möchte sich die Kirchgemeinde noch weiter drüber hinwegsetzen, wäre der nächste Schritt das Verwaltungsgericht.

Die Landeskirche selbst habe keine rechtliche Handhabe, bestätigt Hans Martin Schaer, Leiter Kommunikation der reformierten Landeskirche Bern-Jura-Solothurn. «Wir haben zwar eine Verfassung, aber zugleich eine hohe Autonomie der Kirchgemeinden. Juristisch könnten wir also nicht vorgehen. Wir hätten einfach die Möglichkeit, das Gespräch aufzunehmen und zu vermitteln.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Marius Schären / reformiert.info / 6. Mai 2016

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