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Ohne Loyalität gibt’s kaum Lösungen

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24.06.2016
Fristlose Kündigungen von Pfarrpersonen wie in Lausanne gibt es sehr selten. Doch gerade bei Loyalitätskonflikten mit vorgesetzten Behörden sind Auswege sehr schwierig, sagt der in Kirchenangelegenheiten erfahrene Hansruedi Spichiger.

In einer Radiopredigt am 12. Juni soll Pfarrer Daniel Fatzer von der Kirche St. Laurent in Lausanne den Synodalrat der Waadtländer Reformierten angegriffen haben. Die Reaktion kam sehr schnell: Er wurde fristlos entlassen und protestiert jetzt dagegen mit einem bereits eine Woche dauernden Hungerstreik (siehe Informationen im Kasten).

Wenn auch nicht alle Details in diesem Fall bekannt sind: Dass Pfarrpersonen in der reformierten Kirche so rasch entlassen werden, kommt kaum je vor. Zudem unterscheidet sich von Kanton zu Kanton – beziehungsweise von Landeskirche zu Landeskirche –, wer dies in welchen Fällen anordnen kann und welchen Lauf das Ganze dann nimmt.

Nicht mehr objektiv
Konflikte um Pfarrerinnen und Pfarrer hingegen gibt es nicht selten. Und besonders wenn Loyalitätskonflikte mit vorgesetzten Behörden ausbrechen, wird es «sehr schwierig», sagt Hansruedi Spichiger. Der Pfarrer und Präsident des Berner Kirchgemeindeverbandes war im Kanton Bern zwanzig Jahre lang Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten – und in dieser Zeit häufig mit Krisen konfrontiert. «Bei solchen Meinungsverschiedenheiten wird ein Sachverhalt unterschiedlich wahrgenommen, man kann nicht mehr objektiv sein.» Und wenn der Konflikt zusätzlich in die Öffentlichkeit getragen werde, weite er sich sofort aus, erläutert Spichiger: «Jede Pfarrperson hat Anhänger. Dann geht es sofort und Sympathie und Antipathie.»

Als hauptsächliche Auslöser für derartige Streitigkeiten sind Hansruedi Spichiger in seiner langen Amtszeit «ungeklärte Situationen» in arbeitsrechtlichem Sinn begegnet: «Beispielsweise wenn ein Pfarrer die Leute nicht grüsst: Das ist rechtlich gesehen kein Vergehen. Aber es kommt trotzdem schlecht an.» So sei nicht immer mit den relativ klaren personalrechtlichen Vorgaben zu begründen, wie ein Konflikt angegangen werden soll.

Durch Beratung und Gespräche könne aber schliesslich mit einvernehmlichen Lösungen in den meisten Fällen einer Entlassung oder Abwahl vorgebeugt werden, sagt Spichiger. Bei der reformierten Landeskirche Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso) habe es während zwanzig Jahren maximal ein halbes Dutzend solcher Fälle gegeben. Und für eine fristlose Entlassung brauche es schon «sehr viel».

Lange kein Fall in Bern
Möglich sei diese aber durchaus, sagt Daniel Inäbnit, Kirchenschreiber und Jurist bei Refbejuso – und zwar nach dem Personalrecht des Kantons Bern, da die Pfarrpersonen hier Staatsangestellte sind. Das wird mit der laufenden Kirchengesetzrevision wieder ändern. Aber auch Inäbnit sind aus den letzten Jahren «keine Fälle von Entlassungen von Pfarrpersonen im bernischen Kirchengebiet bekannt». Hingegen sei mit einem wegen Drogendelikten und Geldwäscherei angeklagten Pfarrer die Auflösung des Arbeitsvertrages vereinbart worden.

Grundsätzlich sind im Kanton Bern die Kirchgemeinderäte (Kirchenpflege) Vorgesetzte der Pfarrpersonen – und können sie auch entlassen. Dann muss aber der Synodalrat informiert werden, der im Streitfall zu schlichten versucht. Zudem können die Pfarrpersonen eine Abstimmung in der Kirchgemeindeversammlung verlangen, wobei sie mit der Veröffentlichung der Gründe für die angestrebte Entlassung leben müssen.

Auch bei den Zürcher Reformierten sind Entlassungen selten: Martin Röhl, Leiter des Rechtsdienstes der Landeskirche, erinnert sich an drei Fälle mit «Auflösung des Arbeitsverhältnisses einseitig durch den Kirchenrat» in den vergangenen 15 Jahren. In «zahlreichen weiteren Fällen» hätten sich die betreffenden Pfarrpersonen vor der drohenden Entlassung selbst aktiv für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eingesetzt.

Gewählt und gut geschützt in Zürich
Im Kanton Zürich wird unterschieden zwischen gewählten Gemeindepfarrpersonen und angestellten Pfarrpersonen wie etwa in Spitälern. Jene in den Gemeinden sind auf eine feste Amtsdauer von vier Jahren gewählt. Gemäss Röhl würden Entlassungen «einen schweren Eingriff in einem Wahlentscheid der Stimmberechtigten» darstellen – daher kämen sie nur unter strengen Voraussetzungen zustande. Diese würden unter anderem in der Regel durch ein Administrativ- oder Disziplinarverfahren geprüft, und die Pfarrperson hätte das Recht zur Stellungnahme – wie übrigens auch in Bern.

Insgesamt kann Martin Röhl zwar nicht beurteilen, ob Pfarrer Daniel Fatzer auch in Zürich entlassen worden wäre – doch klar ist für ihn: «Die Entlassung aus dem Amt – wären die Voraussetzungen dafür erfüllt – hätte sicherlich mehr Zeit in Anspruch genommen.»

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Marius Schären / reformiert.info / 24. Juni 2016

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