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Das wärmste aller Lichter

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23.12.2017
Kerzenlicht ist schön. Ob beim Lichtermeer an Heiligabend in der Stadt oder ganz allein Zuhause. Warum berührt es so?

Ein dicker Baumwollfaden, ein Erdölprodukt und eine kleine Flamme zum Entzünden: Schon brennt das schätzungsweise mehr als 5000 Jahre alte Leuchtmittel, die Kerze. Heute ist sie meist ein industrielles Produkt aus Docht, dem «Wachs» genannten Paraffin und unterschiedlichen Zusatzstoffen, sei es für Farbe, Duft oder für spezielle Eigenschaften des Wachses. Auch Kerzen aus Stearin – aus pflanzlichen oder tierischen Fetten – oder Bienenwachs sind verbreitet.

Brennt eine Kerze mit ruhiger Flamme, soll sie wenig Schadstoffe freisetzen. Das sagt die «European Candle Association», der europäische Kerzenverband. Durch die sehr hohe Temperatur von etwa 1400 Grad Celsius werde das Kerzenwachs annähernd vollständig verbrannt und entstünden «nur extrem geringe Mengen an Schadstoffen, die weit unterhalb einer bedenklichen Konzentration liegen». Russpartikel würden vor allem beim Auspusten oder beim Flackern in die Luft abgegeben.

Das warme Licht beruhigt
Nicht nur die Temperatur einer brennenden Kerze ist hoch: Auch ihre Farbtemperatur ist von allen Leuchtmitteln eine der wärmsten. Die Massangabe dazu ist hingegen verwirrend: Warm bedeutet wenige Grad Kelvin, kalt heisst viel – so wird die Farbtemperatur einer Kerze mit etwa 1500 Kelvin gemessen, jene eines nördlichen Himmels hingegen mit rund 27'000 Kelvin. Unser Tageslicht misst um 6000 Kelvin.

Der rohe Rotanteil des Kerzenlichts wirkt sich direkt auf unsere Psyche und unseren Körper aus: Er beruhigt. Der Körper kann Melatonin ausschütten, unser Schlafhormon. Je kälter und blauer das Licht, desto mehr wird dieses Hormon gehemmt und desto eher kommt das Wachmacher- und Glückshormon Serotonin zum Zug.

Die Kerzen-Innung von München, die Gesellschaft der Kerzenhersteller und Wachsbildner, erklärt zudem die Faszination des Funkelns: Im schummrigen Licht sind unsere Pupillen geweitet, die Augen wirken dunkler und grösser. Spiegeln sich nun darin viele Kerzenflammen, verzaubert es ähnlich wie das Glitzern von Schnee oder geschliffenen Steinen.

Das Licht ist stärker als das Dunkel
So berührt das warme Licht von über 10'000 Kerzen in dunkler Nacht ganz besonders. Am Heiligabend lädt die Offene Kirche in Bern beim Hauptbahnhof zur dieser stillen Feier ein. «Weihnachten bedeutet ja: Das Licht kommt in die Welt und ist stärker als das Dunkel. Beim Kerzenanzünden wird einem vielleicht bewusster, dass es manchmal unsere Entscheidung ist, ob wir ein Licht anzünden oder es auslöschen», sagt Pfarrer Andreas Nufer von der Offenen Kirche. Und mit dem Hinaustragen der Kerzenlichter in die Stadt verbänden viele ihre Sehnsucht nach Frieden für sich selbst, für die Stadt, für die Welt.

Es sei auch ein Angebot, Weihnachten einmal anders zu feiern: mitten in der Stadt mit Fremden und Freunden, still, einfach so, sagt Nufer. «Wir zünden in der Kirche am Friedenslicht, das von der Geburtsstätte Jesu in die ganze Welt verteilt wurde, Kerzen an und tragen sie auf den Bahnhofplatz hinaus.» In den letzten Jahren seien jeweils rund 500 Personen zum Lichtermeer gekommen – Familien, junge Erwachsene, Süchtige, Einsame, Pensionierte, Pärchen, Touristen, Leute aus der Stadt und vom Land, Flüchtlinge. Vorbereitet wird der Anlass von einem ökumenischen Team aus rund 12 Personen.

Meditation um die phantastische Geschichte
Andreas Nufer verbindet das Kerzenanzünden direkt mit Weihnachten: «Für mich ist das Anzünden und Hinaustragen der Kerzen eine Art Meditation, während der ich das Geheimnis der Heiligen Nacht in mich aufnehme. Ich kreise in meinen Gedanken rund um diese phantastische Geschichte, dass Gott als kleines Kind geboren wird und uns besucht.» Und in all dem passe er aber gut mit auf, dass alles rund läuft.

Marius Schären, reformiert.info, 22. Dezember 2017

24. Dezember ab 20 Uhr: Lichtermeer auf dem Bahnofplatz Bern und in der Heiliggeistkirche.

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