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«Der Anschlag auf die Synagoge in Halle ist nicht vergessen.»

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10.11.2021
Deutschland begeht mit verschiedenen Anlässen 1900 Jahre Judentum auf deutschem Gebiet. Wie sieht dies in der Schweiz aus? Die Verschwörungstheorien rund um die Corona-Pandemie, in denen auch der Antisemitismus aufflackert, bereiten Sorgen.

In diesem Jahr feiert Deutschland 1900 Jahre Judentum auf deutschem Gebiet. Zahlreiche Medien berichten über das Judentum und die Beziehung zwischen Juden und Christen. In der Schweiz leben heute mehr als 20'000 Jüdinnen und Juden, was ungefähr 0,4 Prozent der Bevölkerung entspricht.

Schutzbarrikaden und Security
Wie sieht die Situation der Jüdinnen und Juden heute in der Schweiz aus? Sarah Werren, Koordinatorin der Sigi Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien an der Universität Zürich stellt einen aktuellen Bezug her: «Ende September endete mit Simchat Tora, dem Fest zur Freude des Empfangs der Tora am Sinai, der herbstliche Feiertagszyklus.»Dabei wird ihr bewusst: Der Anschlag auf die Synagoge in Halle vor zwei Jahren ist auch in der Schweiz nicht vergessen. Vor der jüdischen Gemeinde in Basel stehen Schutzbarrikaden, die Security ist allgegenwärtig, und die Polizei patrouilliert verstärkt. Mit ihrer schönen Kuppel ist die Basler Synagoge im maurischen Stil ein auffälliger Bau. Mehrere Schweizer Synagogen wurden in diesem Stil gebaut, so etwa auch die Israelitische Kultusgemeinde in Zürich oder die Jüdische Gemeinde in Bern.

Als Brunnenvergifter vertrieben
Archäologische Funde aus dem 4. Jahrhundert, die man in Augusta Raurica fand, belegen, dass schon damals Juden auf Schweizer Gebiet kamen. Urkundlich erwähnt sind Juden im Jahr 1223 in Basel, als der damalige Bischof die Rückgabe eines Pfandes von einem jüdischen Geldverleiher forderte. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstanden jüdische Gemeinden in Luzern, Bern, St. Gallen, Winterthur, Zürich, Schaffhausen, Zofingen und Genf. Die Juden waren damals zunehmend der Verfolgung ausgesetzt. Als die Pest in Europa und der Schweiz wütete, wurden Juden als Brunnenvergifter hingerichtet und vertrieben. Bis ins 19. Jahrhundert lebten in der Schweiz kaum Jüdinnen und Juden.

Basel und Zürich werden heute als Einheitsgemeinden mit orthodoxem Rabbinat geführt und bieten «ihren Mitgliedern ein kulturelles und religiöses Zuhause», wie auf der Homepage des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG zu lesen ist. Indes, so Werren: «Die Sicherheitsmassnahmen prägen den Alltag vieler jüdischer Mitmenschen mehr denn je; eine traurige Gemeinsamkeit, die europäische Juden und Jüdinnen mit Israelis teilen.» Immerhin habe es 2020 keine physischen Angriffe gegeben, kommentiert Werren.

«Antisemitismus-Trigger»
Die Covid-Pandemie habe aufgezeigt, wie sehr Juden und Jüdinnen noch immer Gegenstand von Verschwörungstheorien seien, wenn zum Beispiel Impfgegner alte Vorurteile auf aktuelle Situationen ummünzten.

Der aktuelle Antisemitismusbericht des SIG für die Deutschschweiz zeigt zudem: Im Internet sind rassistische Vorfälle nicht zuletzt wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien weit zahlreicher als in der realen Welt. Die Coronapandemie wird sogar als «Antisemitismus-Trigger» bezeichnet: So wurden beispielsweise mehrfach «Judensterne» mit der Aufschrift «ungeimpft» oder «Maskenattest» an Demonstrationen gesichtet.

Dies bereitet Jonathan Kreutner, Generalsekretär des SIG, grosse Sorgen. Trotzdem fühle er sich «als Schweizer und Jude in meinem Land sehr wohl». Der SIG setze vor allem auf Prävention durch Aufklärung und Information. Er werde von Behörden, Politik, den Medien und den anderen Religionsgemeinschaften als jüdischer Dachverband akzeptiert und sei gern gesehener Ansprechpartner.

Solidarität zeigen
Wie aber können sich Mitglieder christlicher Gemeinden gegen Antisemitismus einsetzen? Kreutner: «Einerseits durch Solidarität und konsequenten Einsatz gegen Antisemitismus innerhalb und auch ausserhalb ihrer Gemeinden. Und andererseits dadurch, dass die Tatsache, dass es leider bei einer Minderheit immer noch einen christlichen Antisemitismus gibt, ernst genommen wird.»

Roman Salzmann, Tilmann Zuber, kirchenbote-online.ch

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