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Der Pfarrer hinterm Schaufenster

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13.03.2017
Näher zu den Menschen gehen will der deutsche Pfarrer Johannes Beck. Mindestens drei Mal wöchentlich sitzt er nun im «Erprobungsraum» in Bad Langensalza in einem ehemaligen Laden und sucht neue Formen für die Kirche.

Pfarrer Johannes Beck hat relativ rasch ein Hauptziel seines Projekts erreicht: Nämlich schon dann, wenn jemand an der Mühlhäuser Strasse 3 in Bad Langensalza in Thüringen stehen bleibt, um ins Schaufenster zu gucken. Eine schwarze Schiefertafel in der Fussgängerzone des beschaulichen Städtchens lockt mit Hinweisen. Auf die grosse Fläche des Fensters sind ein Zahnrad-ähnliches Zeichen und das Wort «Erprobungsraum» gedruckt. Dahinter erscheinen Sitzgelegenheiten, Regale mit Büchern und Spielsachen, Bilder an den Wänden, ein Schlagzeug – und ein Schreibtisch, an dem vielleicht Johannes Beck sitzt.

«Das Lokal selbst ist eigentlich einfach das Resultat einer Raumsuche», sagt der 33-Jährige. Ein ehemaliger Laden war nicht die Ursprungsidee seines Kirchenkreises Mühlhausen. Vielmehr suchte man schlicht einen Platz für das Projekt «Erprobungsraum».

Ein Experiment der Nähe
Dieses entstand in der Absicht, mehr zu den Menschen hinzugehen, erzählt Beck. Der Kirchenkreis Mühlhausen hat den jungen Pfarrer dafür angestellt. Seit dem letzten Mai soll er während vorerst drei Jahren mit dem «Erprobungsraum» experimentieren.

Doch auch wenn es ein 100%-Job ist: Johannes Becks Laden ist bisher nur Dienstag, Mittwoch und Donnerstag je einen halben Tag geöffnet. Denn das ganze Projekt «Erprobungsraum» umfasst 26 Ortschaften: Sie alle versucht der Pfarrer – auch zusammen mit anderen kirchlichen Mitarbeitenden in den Orten – besser zu vernetzen.

Es darf auch scheitern
Denn schlichte Zentralisierung ist trotz der schrumpfenden Mitgliederzahlen in den Kirchgemeinden keine Option für Johannes Beck. «Wir wollen vielmehr Anknüpfungspunkte finden, um mit den Lebenswelten der Leute in Berührung zu kommen.» Das soll im Erprobungsraum versucht werden – «und es darf auch scheitern», sagt Beck.

Eine Haupterkenntnis nach einem halben Jahr seit der Eröffnung des zentral gelegenen Ladenlokals: «Es braucht viel Zeit.» Johannes Beck merkte deutlich, dass viele Menschen zögern, sich einzubringen mit eigenen Ideen. «Selbst Ehrenamtliche der Kirche sind sich gewohnt, dass Konzept und Idee vorgelegt werden. Hier soll aber zusammen mit den Leuten etwas entstehen», sagt der Pfarrer.

Offenheit auf allen Seiten
Das setze auch Offenheit bei ihm selbst voraus, nennt Beck eine weitere Erkenntnis: «Um wirklich nahe bei den Menschen zu sein, ist kein allgemein gültiges Modell möglich. Man muss offen sein für das, was vor Ort ist.» So können sich auch im Kleinen Kirche ereignen, wie es der junge Pfarrer nennt: «Einmal kam eine Frau in den Laden. Sie hatte ein Gebet dabei für eine todkranke Freundin und wollte das vorlesen – egal, wer gerade zuhörte. Das war ein sehr berührender Moment. So ist Kirche nahbar.»

Neben dem Laden bei der Eingangstür gehören zwei weitere Räume zum «Erprobungsraum»: ein Ausstellungsraum, den der Kunstverein nutzt, und ein «Konferenzraum», in dem Chorproben, Vorträge und andere Veranstaltungen stattfinden und der vom Hospiz- und Palliativdienst genutzt wird. Johannes Beck sieht darin eine «Win-win-Situation: Der Kunstverein hat ein Lokal für Ausstellungen, und ich komme ins Gespräch mit jenen, die sich dafür interessieren.»

www.facebook.com/erprobungsraum.lsz

Marius Schären / reformiert.info / 13. März 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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