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Die Kirchgemeinen wappnen sich – für Ungewisses

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10.10.2022
Die Situation für Menschen in Armut wird auch in der Schweiz prekärer. Bei den Kirchgemeinden bereitet man sich vor – mit viel Ungewissheit.

Der Krieg hält an, Flüchtlinge dürften im Winter wieder mehr kommen, die Preise steigen nicht nur im Energiesektor und bei den Krankenkassenprämien: Die Lage auf der Welt wirkt sich direkt aus aufs Portemonnaie der Menschen aus, auch in der Schweiz. Und am meisten zu spüren bekommen es jene, die schon jetzt am wenigsten haben.

Das kirchliche Hilfswerk Caritas machte das im September gleich drei Mal zum Thema. Zu Beginn des Monats mit einer Warnung zur Armutsbetroffenheit und der Forderung, umgehend Massnahmen zu ergreifen: Erhöhung von Prämienverbilligungen, Teuerungsausgleich bei Löhnen, AHV, Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe und vor allem: «Direkthilfen, die allen Menschen in einer akuten Notsituation unbürokratisch und rasch zur Verfügung stehen», wie Caritas-Direktor Peter Lack sagte.

Mehrere Sofortmassnahmen gefordert
Weiter forderte Caritas die Annahme der parlamentarischen Initiative «Armut ist kein Verbrechen» im Nationalrat – was dann am 21. September mit 96 zu 85 Stimmen tatsächlich geschah. Und am 27. September folgte nach Bekanntgabe der Prämienerhöhungen bei den Krankenkassen ein weiterer Aufruf, nicht zu zögern mit dem Ausbau der Prämienverbilligungen. «Sie sind für Betroffene von existenzieller Bedeutung», kommentierte Lack.

Der Tenor bei den reformierten Kirchen ertönt ähnlich wie bei der Caritas – und sie handeln auch, soweit möglich. «Das ist ein äusserst wichtiges Thema, an dem wir dran sind», sagt etwa Miriam Deuble, stellvertretende Leiterin Sozial-Diakonie der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso). Sie böten vor allem Vernetzung an, ausserdem eine zehnseitige Orientierungshilfe für Kirchgemeinden, die Evangelische Kirche Schweiz (EKS) auf zwei Seiten Handlungsmöglichkeiten für die Sozial-Diakonie. Letztere gliedern ihre Anregungen in die Schritte Vorbereitet sein, Hinschauen, Vernetzen sowie Beraten und unterstützen.

Niemand weiss genau, was kommt
Das klingt wenig konkret – aus gutem Grund: Was diesen Winter auf die sozialen Dienste zukommen wird, weiss niemand genau. «Es ist zurzeit schwierig vorauszusehen. Was bedeuten der Prämienanstieg und die Teuerung jeweils vor Ort, was wird im Energiebereich passieren, wie werden sich die Flüchtlingsströme entwickeln? Es könnte viel auf uns zukommen», sagt Miriam Deuble. Deshalb würden die Dachorganisationen zurzeit noch vor allem auf Vernetzung und Information setzen.

Im Moment merkten sie tatsächlich noch keinen deutlichen Anstieg beim Unterstützungsbedarf, sagt Katharina Buser, bei der reformierten Gesamtkirchgemeinde Thun zuständig für den Sozialdienst für die ältere Generation. «Es ist wohl wie bei Corona: Das erste halbe Jahr spürten wir noch nicht viel, dann aber kam die Welle.» Klar sei, dass viele Menschen mit Migrationshintergrund, Working Poor und Alleinerziehende Schwierigkeiten bekommen werden. «Schon wenn die Nebenkosten um 500 Franken pro Jahr steigen: Dafür reicht es bei vielen einfach nicht mehr.»

«Dringendst»: Günstigerer Wohnraum gesucht
Buser und ihr Team unterstützen die Hilfesuchenden mit Geldbeiträgen, stellen Gesuche für Unterstützung, geben Tischlein-deck-dich-Karten ab. Manchmal aber könnten sie nichts anderes raten, als Zahlungen einfach zu verweigern, etwa bei den Steuern. Aber: «Es wird ein Riesenproblem werden, wenn nun beispielsweise der Strom oder die Heizung abgestellt wird. Und wie sich die Teuerung auswirken wird, ist für uns noch kaum abschätzbar.»

Zwei Massnahmen stehen für die Sozialdiakonin im Vordergrund: «Wir brauchen mehr Geld, und es braucht dringendst günstigeren Wohnraum.» Sollte nichts von dem zur Umsetzung gelangen, dürfte dieser Winter für Menschen mit wenig Geld auch in der Schweiz kalt und grau werden.

Marius Schären, reformiert.info

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