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«Wiegand, Wiegand auf der Bank, wer hält die beste Predigt im ganzen Land?»

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16.12.2016
Das Zentralschweizer Onlinemagazin «zentralplus» hat seit Neustem einen Gottesdienstkritiker: Der Journalist und Theologe Remo Wiegand besucht und bewertet katholische und reformierte Gottesdienste und verteilt dann Kreuze statt Sterne.

Gastrokritiker kommen meist unangemeldet, testen diskret und schreiben anschliessend mit spitzer Feder über das, was ihnen aufgetischt wurde. Literaturkritiker räkeln sich genüsslich vor der Kamera, entwickeln lispelnd ihre scharfzüngigen Textanalysen, bis oft kaum mehr etwas übrigbleibt, das sich zu lesen lohnt.

Nun gibt es auch einen Gottesdienstkritiker: Remo Wiegand heisst er, er ist vierzig Jahr alt, hat katholische Theologie studiert, ist ausgebildeter Seelsorger und hat sich als Fachjournalist einen Namen gemacht. Alle zwei Wochen sitzt er auf einer anderen Kirchenbank, irgendwo in einer Gemeinde im Kanton Luzern und Zug, und verfolgt aufmerksam das Geschehen. «Ich gehe ohnehin oft in Gottesdienste, denke darüber nach und bilde mir eine Meinung, was mir gefällt und was nicht», meint Wiegand. «Nun halt auch als Journalist.»

Kreuze statt Sterne
Seit Mitte November 2016 testet Wiegand nun für das Onlinemagazin «zentralplus» vorerst zehn katholische und reformierte Gottesdienste, schreibt eine Kritik und vergibt nach bestimmten Kriterien maximal je fünf Kreuzchen. Bewertet werden der Kirchenraum, die Ausstrahlung des Pfarrers oder Priesters, die würdevolle Gestaltung der Feier, die Qualität der Predigt, die Musik, der Integrationsfaktor und das Gesamterlebnis.

«Es liegt mir fern, irgendjemanden in die Pfanne zu hauen», betont der einstige Pastoralassistent. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie anspruchsvoll es ist, einen Gottesdienst zu planen und zu leiten. Aber ich bin der Meinung, man sollte dennoch darüber sprechen dürfen.» Er wolle mit seinen Kritiken das Gespräch und die Diskussionskultur anregen und einen neuen Blick auf Altbekanntes werfen. «Oft laufen Gottesdienste sehr routiniert ab, und die Pfarrpersonen und Priester scheinen sich allzu sicher zu fühlen in der Liturgie. Dabei sollte es für die Besucherinnen und Besucher ein Fest sein, ein heiliger Moment. Und dafür braucht es nun mal eine besondere Gestimmtheit.»

Feier statt Show
Katrin Kusmierz ist Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Liturgik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Sie ist zuständig für die Ausbildung angehender Pfarrerinnen und Pfarrer im Bereich Gottesdienst. Ihr gefällt die Idee, dass auf einer solchen Plattform über Gottesdienste gesprochen wird. «Damit wird klar, dass der Gottesdienst kein Nischenprodukt ist, sondern Strahlkraft in die Gesellschaft hinein entwickeln will. Der Artikel und die Punktezahl im Onlinemagazin nehmen die Veranstaltung ernst und verschaffen ihr Öffentlichkeit, das ist sehr erfreulich.» Es sei aber wichtig, dass die Kritik wertschätzend, sorgfältig und differenziert ist, gerade auch weil die Beteiligten keine Gelegenheit haben, darauf zu reagieren.

Gleichzeitig hat Kusmierz auch einen theologischen Vorbehalt. «Ein Gottesdienst ist nicht vergleichbar mit einem beliebigen anderen Event. Der Pfarrer ist nicht Showmaster, und die Besucher sind nicht Publikum.» Es sei vielmehr ein Zusammenspiel von allen Beteiligten und letztlich die Einladung, in einen inneren Dialog zu gehen – mit sich selber und mit Gott. «Die Pfarrerin schafft den Raum, dass das passieren kann. Doch was dann geschieht, ist weder herstellbar noch messbar. Das Gesamtkunstwerk Gottesdienst kann mal gelingen und mal nicht. Und was genau mit den einzelnen und mit der Gemeinde passiert, hat man nicht in der Hand.»

Respekt statt Distanz
Remo Wiegand versteht sich seinerseits auch nicht als Dieter Bohlen der Gottesdienstkritik. «Ich bin bei den Gottesdienstbesuchen nicht kritisch distanziert. Ich lasse mich gerne berühren und habe Respekt für alle Beteiligten.» Mit seinen Kritiken will Wiegand lediglich das Tabu aufweichen, dass man über ‚so etwas’ nicht oder nur hinter vorgehaltener Hand reden dürfe. Und er will auch eine Brücke zu Kirchenfernen bauen. «Gottesdienstkritik ist eine aktuelle Form der Kommunikation, die Kirchenvertreter müssen sich das gefallen lassen. Ich bin überzeugt, sie werden letztlich davon profitieren.»http://www.zentralplus.ch/de/news/dossiers/5517880/Luzerner-und-Zuger-Gottesdienste-im-Test.htm

Katharina Kilchenmann / reformiert. / 16. Dezember 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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