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«Die Jungen geben mir Hoffnung»

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13.03.2019
Der reformierte Pfarrer Ueli Greminger veranlasste, dass die Zeiger der Stadtzürcher Kirche St. Peter um 11.55 Uhr für sieben Stunden stehen blieben, um auf die Klimakrise hinzuweisen. Die Kirche könne einen wichtigen Beitrag leisten, sagt Greminger.

Ueli Greminger, gestern standen auf dem Zifferblatt Ihrer Kirche St. Peter in Zürich von 11.55 bis 19 Uhr die Zeiger still. Gab es Reaktionen?
Einige Leute riefen an, weil sie dachten, die Technik sei ausgestiegen. Als ich dann die Aktion erklärte, waren nicht alle damit einverstanden. Einige wenige fanden, dass die Kirche sich nicht in politische Angelegenheiten mischen, sondern sich ums Seelenheil kümmern soll. Die Zustimmung war aber grösser. Ein Mann sagte: «Wenn das so ist, dann ist das meine Kirche!»

Fünf vor Zwölf ist eine unmissverständliche Symbolik. Warum bis 19 Uhr?
Wir wollten auch das Kirchengeläut weglassen bis zum Abendgeläut. Dann sieht man die Zeiger wegen der Dunkelheit sowieso nicht mehr gut.

Hat die Kirche die Brisanz der Klimakrise erkannt?
Das ist eine schwierige Frage. Ich frage mich ja selbst, ob ich sie erkannt habe. Je mehr man sich mit der Klimafrage befasst, desto abgründiger wird sie. Man erschrickt und verdrängt sie. Aber ich bin froh, dass die Jungen nun penetrant am Thema bleiben und uns vorführen, wie unerbittlich das Klima ist. Mich beschäftigt der Umweltschutz schon lange. Wir haben das Mass überschritten und leben auf Kosten anderer. Die Auseinandersetzung mit dieser Einsicht und Verhaltensänderungen sollten wir nicht einfach der Politik, den Behörden oder eben den Kirchen überlassen.

Aber der Einzelne fühlt sich im Handeln überfordert. Das drückt der Klimastreik aus: Gerade weil der Einzelne mit seinen Bedürfnissen – etwa doch reisen zu wollen – kämpft, verlangen die Jugendlichen, dass die Politik endlich eingreift.
Da haben sie auch recht. Dennoch muss jeder an sich arbeiten. Es wäre schön, wenn jeder erkennen würde, dass es auch am Wohnort viel Bereicherndes gibt. Eine Reise sollte auch eine innerliche Reise sein. Wer bewusst lebt, kann viel erleben. Und genau dort sehe ich einen wichtigen Beitrag der Kirche. Wir bieten etwas an Ort. Man kann zu Fuss zu uns kommen und etwas erleben und bereichert wieder nach Hause gehen.

Reicht das als Beitrag der Kirche zum Thema Klimawandel?
Da bin ich konservativ. Ich finde nicht, dass die Kirche auf Klimakrise machen soll. Sie soll bei ihren Leisten bleiben. Dazu gehört die Pflege der traditionellen christlichen Werte wie Menschenwürde, Ehrfurcht vor dem Leben, Bewahrung der Schöpfung. Sie soll den Menschen eine geistige Heimat sein und gleichzeitig signalisieren, dass sie die jungen Menschen in ihrem radikalen Aufbruch ernst nimmt. Ich freute mich, als mich das Komitee des Klimastreiks um Unterstützung bat. Es ist nicht selbstverständlich, dass man die Kirche braucht. Viele erwarten ja eher nichts mehr von ihr.

Wird die Energiewende kommen?
Die Jungen geben mir Hoffnung. Sie haben erfasst, was wir schon lange wussten, aber erfolgreich verdrängt haben. Sie argumentieren existentiell und sagen: «Es geschieht zu wenig. Jetzt geht es ums Ganze!» Wenn sie den langen Atem haben und ihrer Sache treu bleiben, dann schaffen sie es hoffentlich, das unselige Streben nach mehr und immer noch mehr zu überwinden und die Haltung des «weniger ist mehr» salonfähig zu machen.

Anouk Holthuizen, reformiert.info, 13. März 2019

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