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Von der Bühne auf die Kanzel

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13.12.2019
Die Opernsängerin und erste Basler Questabsolventin Gudrun Sidonie Otto ist auf den Konzertbühnen der Welt zu Hause. Künftig spricht die Sopranistin auch als Pfarrerin zu den Menschen.

Am Europäischen Tag des Denkmals im September sang Gudrun Sidonie Otto bei der Uraufführung der «Basler Psalmen» im vollbesetzten Münster die Friedensklage des Erasmus von Rotterdam. Die Besucherinnen und Besucher waren gerührt. Auch als Vikarin in der Thomasgemeinde möchte sie Menschen erreichen. Wichtig sei es, ein offenes Ohr für deren Sorgen zu haben: «Denn Angst kann gefährlich werden. In meiner alten Heimat werden wieder Synagogen angegriffen, wird Fremdenhass geschürt, dort, wo friedliche Lichterketten vor dreissig Jahren das Ende des DDR-Regimes ankündigten.»

Auf den Bühnen der Welt
Die Sopranistin Gudrun Sidonie Otto, 1979 in Rostock geboren, ist im Erzgebirge bei Chemnitz in einem atheistisch-humanistischen Elternhaus aufgewachsen. «Als Zonenkind», wie sie sich selbst bezeichnet, begann sie mit sechs Jahren Violine und Klavier zu spielen, erhielt Gesangsunterricht. Schnell wurden die Coaches, die in der DDR das Potenzial von Kindern ausloteten, auf ihr musikalisches Talent aufmerksam. Nach dem Abitur an der Spezialschule für Musik in Zwickau studierte sie in Weimar Gesang, Oper, Oratorium und Lied sowie in Dresden Dirigieren. «Der Stellenwert der Künstler in der DDR war hoch», sagt Otto. Inzwischen haben im Kulturbetrieb nicht mehr der Staat, sondern die Agenturen das Sagen. «Es geht immer weniger um die Kunst.» So teilte ihr eine Agentur unlängst mit, ihr Foto sei zu wenig sexy. Auch wenn das Leben als freiberufliche Musikerin kein Zuckerschlecken sei, möchte es die Sopranistin, die im Herbst in Antwerpen eine CD aufnahm und anschliessend in Lateinamerika auf Tournee war, nicht missen. Denn die Musik erschloss ihr die weite Welt mit Bühnen in Berlin, Hongkong oder Sydney.

Ausbildung zur Pfarrerin
Vor vier Jahren begann Gudrun Sidonie Otto als Quereinsteigerin in Basel das Theologiestudium mit dem Ziel, künftig auch als Pfarrerin zu wirken. Dieses Ziel war kein Zufall. «Mit 14 Jahren liess ich mich evangelisch taufen», erzählt Otto. «Durch Musik bin ich zum Glauben gekommen. Die meiste Kirchenmusik in Konzerten ist ja eigentlich für Gottesdienste komponiert, man denke nur an Bachkantaten, Oratorien, Requien und Messen. Allerdings werden diese dort viel zu selten eingebunden.» Ein einschneidendes Erlebnis auf dem Weg zum Theologiestudium war die Geburt der ersten Tochter. «Ich hatte damals meine Stimme verloren, und es kamen viele Fragen auf», sagt Otto. «Dieser Bruch war sicher einer der Auslöser, um nach einem anderen Sinn zu suchen. Die Stimme kam wieder – von Gottes Hand getragen.»

Das Verbindende im Zentrum
Otto wurde bewusst, dass es sowohl auf der Bühne als auch auf der Kanzel um Präsenz in der Verkündigung geht. «Ich möchte Kulturengagement und praktische Theologie verbinden.» Nicht immer einfach war die Studienzeit in Basel. «Was in der DDR selbstverständlich war, nämlich die eigenen Kinder in den Hörsaal mitzunehmen, erwies sich in Basel als Herausforderung.» Vormittags studieren, nachmittags um die Kindern kümmern und abends Bücher wälzen. Otto und ihr Lebenspartner, Münsterorganist Andreas Liebig, schafften den Spagat. Nach der Ordination im Sommer 2020 wird Gudrun Sidonie Otto ein Pfarramt anstreben, wo sie sich auch kulturell einbringen kann. «Ich stehe für das Verbindende, im Glauben, im Privaten mit meiner Ost-West-Beziehung und in meiner Arbeit», sagt Otto.

Toni Schürmann, kirchenbote-online, 13. Dezember 2019

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