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Frau Pfarrer, sind Sie gleichberechtigt?

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27.01.2020
Fünf Statements von Pfarrerinnen aus ihrem kirchlichen Alltag.

 

Auch Frauen ticken sehr verschieden

Caroline Schröder-Field, Pfarrerin im Basler Münster

Woran wird Gleichwertigkeit gemessen? Daran, dass ich beim Bewerbungsgespräch nicht anders befragt werde als mein männlicher Mitbewerber. Daran, dass ich denselben Lohn bekomme. Daran, dass ich meine Kernaufgaben genauso wahrnehmen kann wie ein männlicher Kollege. Ob mein Mitbewerber ebenfalls gefragt wurde, ob er sich die Doppelbelastung von Arbeit und Kindererziehung zutraut, weiss ich nicht. Was den Lohn betrifft, verspricht die Kirche gleiche Behandlung. Darauf vertraue ich. Zu den Kernaufgaben – da gibt es ein Gefälle zwischen Predigt und Seelsorge auf der einen Seite und Gemeindeleitung und Gremienarbeit auf der anderen Seite. Hier dominieren immer noch die Männer. Vieles machen sie gut.

Auch Frauen ticken sehr verschieden. Ob die Note, die ich in die Kirche mit einbringe, mit dem Umstand zu tun hat, dass ich eine Frau bin, möchte ich bezweifeln.

Als im letzten Jahr im Münster vier junge Männer ordiniert wurden, wurde das anerkennend hervorge-hoben. Die Zukunft einer Institution davon abhängig zu sehen, dass in ihr mehrheitlich Männer wirken, ist Unsinn.

 

Frauen in leitenden Positionen sollten selbstverständlich sein

Leni Hug, Spitalseelsorgerin in Olten

Wenn in unserem Pfarrkapitel zum Gesang angestimmt wird, wünschte ich mir, es hätte mehr Frauenstimmen. Der Klang würde voller und ausgewogener, eine einzelne Stimmlage wäre weniger dominant.

Als Frau fühle ich mich im Pfarramt heute gleichberechtigt. Das war nicht immer so. Vor 20 Jahren wäre es im Kanton Zürich noch nicht möglich gewesen, zu zweit ein Einzelpfarramt zu führen, ausgenommen für Ehepaare. Dies war der Grund, dass ich mich damals auf eine Stelle im Baselbiet beworben habe. Wichtig erscheint mir, dass Frauen und Männer sich in der Verantwortung teilen. Vielleicht geschieht dies mit Frauen dialogischer. Das hängt aber vor allem von der Persönlichkeit ab. 

Wird die Kirche der Zukunft weiblich? Diese Frage macht mich etwas ungeduldig. An meinem Arbeitsort, im Kantonsspital Olten, sind leitende Ärztinnen eine Selbstverständlichkeit. Und dies in allen Disziplinen. An drei von vier Standorten der Solothurner Spitäler wirken Frauen als Direktorinnen. Ich habe noch nie gehört, dass man sich die Frage stellt, ob das Gesundheitswesen weiblich werde.

 

Frauen müssen nicht so lange reden wie Männer

Doris Wagner, Pfarrerin in Liestal und Präsidentin des Pfarrkonvents BL

Ich habe mich immer gleichwertig gefühlt. Ich hatte von Anfang an den gleichen Lohn, die gleichen Rechte und Pflichten wie die Kollegen. Ich finde es schwierig zu verallgemeinern, ich glaube aber, dass die Frauen eine andere Note in die Kirche bringen. Ein Beispiel: Ich habe den Eindruck, dass sie kürzer predigen. Frauen müssen nicht so lange reden wie die Männer. 

Ob die Kirche der Zukunft weiblich wird, kommt auf den Blickwinkel an. Schaut man, wer die Gottesdienste besucht und Freiwilligenarbeit leistet, ist die Kirche seit Jahrhunderten weiblich. In den Leitungspositionen und im Pfarramt sieht es anders aus. Vermutlich wird die Kirche auch hier weiblicher. Wenn es schwierig wird, holt man die Frauen. Dies kann man auch in der Wirtschaft und Politik beobachten. Von den Theologiestudierenden sind über 50 Prozent Frauen, im Pfarramt hingegen machen sie nur noch gut 30 Prozent aus. Viele Akademikerinnen hören auf zu arbeiten, sobald sie Familie haben, obwohl es mittlerweile fast mehr Teil- als Vollzeitstellen gibt im Pfarramt. Vielleicht, weil Frauen sich dies leisten können, wenn der Partner genug verdient. Dass die Frauen nicht in die Kirchenleitungen drängen, kann ich verstehen. -Es gibt viel Arbeit und geringen Gestaltungsraum.

 

Dank den Frauen vor 100 Jahren

Julia Matucci-Gros, Pfarrerin in Littau-Reussbühl

Interessanterweise studieren ungefähr ein Drittel mehr Frauen evangelische Theologie als Männer. Aber auf der Führungsebene sind Frauen immer noch untervertreten. Und selbst im Pfarramt finden sich augenblicklich noch mehr Männer. Ich wünsche mir die Zukunft der Kirche weder weiblich noch männlich, sondern gut gemischt, auf allen Ebenen.

Ich darf heute meiner Berufung als ordinierte Pfarrerin gleichwertig der eines männlichen Kollegen nachgehen. Dank den tapferen und unermüdlichen Frauen von vor 100 Jahren habe ich selbstverständlich an evangelischen Theologischen Fakultäten studiert, das Vikariat absolviert und die Ordination und ein Pfarramt erhalten.

Ich finde ja, Männer und Frauen sind gleichwertig, aber nicht identisch. Auch wenn es «die Frau» genauso wenig gibt wie «den Mann», stelle ich immer wieder Unterschiede in der Sprache und der Themeneinführung bei Predigten fest. Häufig weiss ich nach kurzer Zeit beim Lesen einer Predigt, ob sie ein Mann oder eine Frau geschrieben hat. 

 

Es braucht definitiv beide Geschlechter

Beatrice Kunz Pfeiffer, Pfarrerin in der Schaffhauser Kirchgemeinde Buchthalen

Für mich persönlich stellt sich da kein Problem, ich fühle mich als Pfarrerin meinen männlichen Kollegen gegenüber gleichwertig und werde in meinem beruflichen Umfeld auch so behandelt. Ich weiss aber von anderen Kolleginnen, dass es noch ältere Kirchgänger gibt, die sich stärker an Pfarrern orientieren als an Pfarrerinnen. Und verwundert sind, wenn eine Frau anders aufritt als von der alten Pfarrherrschaft her gewohnt.  

Frauen haben auf der Kanzel genauso viel zu sagen wie Männer. Als Frau lege ich jedoch besonders grossen Wert darauf, durch meine theologischen Inhalte zu überzeugen und sie verständlich auszudrücken. Bei Männern hat die Rhetorik tendenziell einen grösseren Stellenwert. Als Frau achte ich auch mehr auf das Miteinander und reagiere emphatischer als manche männlichen Kollegen. Vielleicht bin ich als Frau auch nachgiebiger, wenn es darum geht, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, und beharre weniger auf meine eigene Meinung. Ich hoffe aber definitiv, dass sich die Kirche der Zukunft weder ausdrücklich weiblich noch männlich, sondern gleichgeschlechtlich gestaltet. Es braucht definitiv beide Geschlechter in der Kirche. 

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