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Wie weiter mit dem Religionsunterricht?

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10.12.2020
Nach dem Entscheid der St. Galler Regierung zur Abschaffung von «Ethik, Religionen, Gemeinschaft (ERG) Kirchen» stellt sich eine Reihe von Fragen. Wird ERG nur noch von schulischen Lehrpersonen unterrichtet, geht viel Expertise verloren. Die Lehrpersonen sind aber entscheidend für guten Religionsunterricht. Und dieser ist nötiger denn je. Darin sind sich die Experten einig.

Im November entschied die St. Galler Regierung, dass das Fach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» (ERG) ab Sommer 2021 nur noch von der Schule angeboten wird. Bis jetzt können die Eltern wählen, ob ihr Kind ERG bei einer schulischen oder bei einer kirchlichen Lehrperson besucht. Die reformierte und die katholische Kirche bedauerten den Entscheid in einer gemeinsamen Stellungnahme. Sie wollten aber weiterhin konstruktiv ihren Beitrag zur ethisch-religiösen Bildung leisten. «Mir liegt vor allem eine fundierte ethisch-religiöse Bildung am Herzen, auch wenn die Kirchen nicht mehr direkt in ERG einbezogen sind», sagte die zuständige Kirchenrätin Barbara Damaschke-Bösch auf Anfrage.

Umgang mit Fundamentalismus
Den Stellenwert religiöser Bildung betont auch Thomas Schlag, Professor für Religionspädagogik an der Universität Zürich: «Religionsunterricht macht dialogfähig.» Und er fügt an: «Guter Religionsunterricht vermittelt nicht nur Wissen über Religionen.» Er zeige auch existenzielle Fragen auf. «Die Schülerinnen und Schüler merken dann: ‹Das hat ja mit mir zu tun!›» Das sei keine Indoktrination. Denn existenzielle Fragen aufzuwerfen gehöre nicht nur in konfessionellen Unterricht. «Das ist auch in ‹ERG Schule› möglich.»

Jasmine Suhner, Oberassistentin am Theologischen Seminar der Uni Zürich, ergänzt: «Bei religionsbezogener Bildung, die nur Informationsvermittlung anstrebt, wird nicht deutlich, weshalb es beispielsweise Fundamentalismus gibt. Religionsbezogene Bildung muss die existentielle Dimension, die zerstörende und die aufbauende Kraft von Religion, deutlich machen.» Und sie schiebt nach: «In der heutigen Zeit, wo polarisierende Weltbilder populär sind, ist dies wichtiger denn je.»

Lehrerausbildung ausbaufähig
Entscheidend für erfolgreichen Unterricht sei die Persönlichkeit der Lehrerin, des Lehrers, sagt Suhner. Das zeigten zahlreiche Studien. «Wichtig ist ein pädagogisches Gespür und ein Sensorium für die individuelle und gesellschaftliche Bedeutung von Religionen.» Damit stellt sich die Frage nach der Lehrerbildung. Diese ist im Bereich ERG im Kanton St. Gallen eher stiefmütterlich: 7 bis 15 Kreditpunkte erwerben angehende Sekundarlehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule (PH) St. Gallen. Das entspricht einem Arbeitsaufwand von 200 bis 400 Stunden. Zum Vergleich: An der PH Zürich umfasst die Ausbildung 30 Kreditpunkte. Monika Winter, Dozentin im Fach ERG an der PH St. Gallen, wünscht sich denn auch mehr Weiterbildungen: «Bei der Einführung des Lehrplans 21 haben wir einzelne Weiterbildungstage angeboten. Aber mehr wäre wünschenswert.»

Gut ausgebildet sind die kirchlichen Lehrpersonen, die bis anhin «ERG Kirchen» unterrichten. Mehrere Jahre dauerte ihre Ausbildung am Religionspädagogischen Institut. «Die Expertise dieser Lehrpersonen darf auf keinen Fall verloren gehen», findet Schlag. Vor rund zehn Jahren ermöglichte der Kanton Zürich kirchlichen Lehrpersonen eine Umschulung, worauf sie zu gleichen Konditionen an der Volksschule unterrichten konnten. Wäre das auch in St. Gallen möglich, kirchliche Lehrpersonen für «ERG Schule» auszubilden? Schlag bejaht: «So könnten diese Lehrpersonen nachholen, was sie nicht abdecken. Sie sind ja bereits gut ausgebildet und kommen nicht von irgendeiner Bibelschule.»

Doch Alexander Kummer, Leiter des St. Galler Amtes für Volksschule, winkt ab. ERG solle wenn möglich durch die Klassenlehrperson erteilt werden, schreibt er auf Anfrage. «Diese sieht die Klasse mehrmals pro Woche, kann Aktualitäten aufgreifen und fächerübergreifend unterrichten.» Lehrpersonen ohne Lehrdiplom dürften nur befristet und zu 75 Prozent des Lohnes angestellt werden.

Zusätzlicher Religionsunterricht
Die Regierung hat ferner beschlossen, den Kirchen zu ermöglichen, ihren freiwilligen Religionsunterricht an der Volksschule auszubauen. Inwiefern dies geschieht, war bis Redaktionsschluss offen. Kirchenrätin Damaschke-Bösch sagte an der Wintersynode, die Umstellung erfordere eine Reihe administrativer und rechtlicher Massnahmen.

Stefan Degen, kirchenbote-online

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