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Ekkehard Wilhelm Stegemann, 1945–2021

min
09.12.2021
Der Theologe war bekannt für seinen Kampf gegen Antisemitismus und für seine Paulus-Forschung. Nun ist er mit 76 Jahren gestorben.

«Es war ein Wunder, dass ich nach Basel berufen wurde», pflegte Ekkehard Stegemann zu berichten. Es sei der Neutestamentler Markus Barth gewesen, Sohn von Karl Barth, der ihn unbedingt an der Universität Basel sehen wollte. Der 1945 in einfache Verhältnisse einer antifaschistischen Deutschen Arbeiterfamilie geborene Theologe lehrte damals an der Universität Bayreuth und hatte sich zuvor an der Universität Heidelberg vor allem zur Markus- und Paulusexegese einen Namen gemacht. Trotz seiner unbequemen Botschaften an Theologie, Kirche und Gesellschaft wollte man den Ehemann und Vater von drei Söhnen, von denen heute einer in Israel lebt, in Basel haben.

Seine unbestechliche Kritik an kirchlich-theologischem Antijudaismus forderte den mehr und mehr liberal-bürgerlich geprägten Mainstream der deutschsprachigen Theologie heraus. Man reagierte oft beleidigt, empört oder mit aggressiver Nichtbeachtung. Ärgerlich für seine Gegner war nur, dass er mit seinen Analysen und Deutungen leider immer recht behielt. Nicht selten hat man auch seine vermeintlichen Schülerinnen und Schüler abgestraft. Dabei war für Stegemann kennzeichnend, dass er nie eine eigene «Schule» begründet hat, obgleich man ihn dazu drängen wollte. Sein Denken war viel zu offen und zu frei, als dass er sich und seine Studierenden hätte in eine Lehrschulrichtung drängen wollen. Vielleicht hat er gerade darum aus dem ganzen deutschsprachigen Raum Studierende angezogen.

Es gibt seit Karl Barth und Lukas Vischer keinen zeitgenössischen Schweizer Theologen, der eine mit Stegemann vergleichbare internationale Wirkung auch in die breite Öffentlichkeit gehabt hat. Sein dichtes Beziehungsnetz nutzte er vor allem dafür, die schändliche Bedrohung von jüdischen Menschen in Europa und weltweit zu bekämpfen. Als Präsident der Jüdisch-christlichen Arbeitsgemeinschaft Basel (CJA) hob er deren Arbeit auf ein neues intellektuelles und emotives Niveau. Ihm gelang, dass die Basler Regierung 1997 zum 100-Jahr-Jubiläum des ersten Zionistenkongresses zu einem Jubiläumskongress in das Stadtcasino geladen hatte, und mit Spenden vermochte er an der Universität Basel ein heute renommiertes Institut für Jüdische Studien einzurichten. Für sein Engagement ist er mit der Ehrenmedaille des europäischen B’nai Brith ausgezeichnet worden.

Nach seiner Emeritierung 2013 blieb Stegemann als kritischer Beobachter von Medienwelt und Kirchenpolitik aktiv. Als Präsident des Schweizerisch-jüdischen Medienforums und der Stiftung audiatur setzte er sich dafür ein, dass in der Öffentlichkeit nicht nur die zu Wort kommen, die Israel verurteilen. Auch uns Kirchenleitenden gegenüber konnte er unangenehm sein, z.B. als er vor einem Jahr wegen der Verfahren gegen zwei Pfarrpersonen in unserer Region öffentlich seinen Kirchenaustritt kundgetan hat.

Man konnte Stegemann mit intellektuellen Reden nicht beeindrucken. Ihn bewegte aber, wenn er das Herz des Gegenübers gespürt hat. Dann hat er auch die dümmsten Gedanken und Fehler vergeben. Er hatte eine intensive emotionale und fürsorgliche Beziehung zu seinen Söhnen, liebte Kätzchen, die unbeschwerte Runde mit Freundinnen und Freunden und genoss den wöchentlich wiederkehrenden Mittagstisch mit seiner Enkeltochter.

Lukas Kundert, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche BS, Pfarrer am Basler Münster, Professor für Neues Testament an der Universität Basel, hatte bei Stegemann promoviert und wurde von ihm für die Habilitation und die Professur vorgeschlagen.

Interview mit Ekkehard Stegemann

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