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«Auch in dieser Frage stehen wir zu unserer Meinungsvielfalt»

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09.06.2022
Unlängst sagte das Parlament der Landeskirchen Bern-Jura-Solothurn Ja zur kirchlichen Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Synodalratspräsidentin Judith Pörksen Roder freut sich über den deutlichen Entscheid.

Frau Pörksen Roder, die Synodalen haben Ende Mai mit klarem Mehr beschlossen, dass ab Juni 2023 im Einzugsgebiet von Refbejuso gleichgeschlechtliche Paare kirchlich heiraten können. Wie haben Sie auf diesem Entscheid reagiert?
Ich bin sehr froh, dass wir uns vorher bereits im Oktober letzten Jahres an der Gesprächssynode ausführlich die Zeit genommen haben, sorgfältig über diese Frage zu debattieren. Überdies haben wir wertvolle Gespräche mit den landeskirchlichen Gemeinschaften geführt. Der deutliche Entscheid der Synode hat mich gefreut. Zugleich hat die Synode ein Augenmerk gelegt auf diejenigen Pfarrpersonen, die eine kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare nicht vornehmen wollen. Insgesamt denke ich, dass durch diesen Beschluss die kirchliche Trauung als ein verbindlicher Bund in Treue im Vertrauen auf Gottes Liebe gestärkt wird.

Haben Sie Rückmeldungen aus dem Kirchenvolk bekommen?
Ja, viele haben sich gefreut. Ich weiss aber auch von meinem Mann, der selber ebenfalls Pfarrer ist, dass er Gespräche geführt hat mit einer Frau, der dieser Entscheid sehr Mühe bereitet hat.

Warum kann der Beschluss der Synode nicht sofort umgesetzt werden?
Die Öffnung der kirchlichen Trauung für gleichgeschlechtliche Paare setzt eine Änderung der Kirchenordnung voraus. Kirchenordnungsänderungen erfolgen in der Synode in zwei Lesungen, in Kraft treten sie danach nach einer halbjährigen Referendumsfrist. Im Falle der Trauung für gleichgeschlechtliche Paare findet die zweite Lesung im kommenden November statt.

 

Ich denke, dass durch diesen Beschluss die kirchliche Trauung als ein verbindlicher Bund in Treue im Vertrauen auf Gottes Liebe gestärkt wird.
Judith Pörksen, Synodalratspräsidentin Bern-Jura-Solothurn

 

Der Beschluss fiel mit 109 Ja-Stimmen. Nein-Voten und Enthaltungen gab es gesamthaft 34. Knapp ein Drittel der Synodalen tun sich also mit «Ehe für alle in der Kirche» schwer. Das dürfte auch die Stimmungslage in der Bevölkerung abbilden. Wie soll die Kirche mit Menschen umgehen, welche die kirchliche Trauung für homosexuelle oder lesbische Menschen kritisch sehen?
Die 109 Ja-Stimmen entsprechen 76 Prozent der Synodalen, während in der eidgenössischen Volksabstimmung lediglich 64 Prozent für die Ehe für alle gestimmt haben, 36 Prozent dagegen. Der Synodalrat hat im Vorfeld der Synode immer wieder darauf hingewiesen, dass die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn eine Volkskirche mit einer grossen Vielfalt an Meinungen ist. Zu dieser Vielfalt stehen wir auch in dieser Frage.

Wie soll sich das konkret äussern?
Es soll in unserer Kirche niemand wegen seiner oder ihrer Einstellung zur Trauung gleichgeschlechtlicher Paare kritisiert oder gar diskriminiert werden. Gleichzeitig erwarten wir, dass jene, die kritisch eingestellt sind, auch die Haltung der Befürwortenden als biblisch und theologisch ernsthafte Position respektieren.

Wie schätzen Sie die Stimmungslage in der Pfarrschaft ein?
Eine Erhebung gibt es nicht, viele Gespräche zeigen aber, dass die Pfarrschaft grossmehrheitlich die Öffnung der kirchlichen Trauung für gleichgeschlechtliche Paare befürwortet. Wichtig ist für die Pfarrinnen und Pfarrer, dass auch in dieser Frage die Gewissensfreiheit der einzelnen Pfarrperson gewährleistet ist.

Im Schweizer Strafrecht heisst es: «Ab dem 1. Juli 2020 wird bestraft, wer Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert.» Sind Pfarrpersonen, die künftig keine gleichgeschlechtlichen Paare trauen wollen, juristisch gefährdet?
Gemäss einem Gutachten kann eine Pfarrperson aus diesem Grund juristisch nicht belangt werden. Sollte es wider Erwarten doch zu einem Prozessfall kommen, würde sich der Synodalrat in seiner Funktion als Arbeitgeber hinter jene Pfarrperson stellen, welche Gewissenskonflikte geltend macht.

Hans Herrmann, reformiert.info

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