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Weshalb Entrümpeln glücklich macht

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21.06.2022
Michelle Schmidig, Aufräumcoach, zeigte in einem Vortrag auf, wie befreiend es sein kann, Dinge loszulassen. Und wie man dazu am besten vorgeht. Ihr Tipp: 25 Minuten aufräumen, 5 Minuten Pause.

33 Zuhörerinnen waren zum Frauenznüni der Reformierten Kirche Horw erschienen. Das Thema interessierte, zumal sonst etwa 10 bis 20 Teilnehmerinnen erscheinen. Schnell kam man zum Kern des Vortrags – Ordnung machen. Ein Problem, das jeder zu kennen scheint. Eine ältere Frau erzählte, wie sehr sie die Vorstellung belaste, dass sie nach ihrem Ableben ihren Gerümpel den Kindern zumuten müsse. Jüngere Zuhörerinnen berichteten, dass sie seit langem die Aufräumaktionen in der Garage, im Estrich oder im Keller vor sich hinschieben würden. «Doch warum ist es überhaupt ein Problem?», stellte Michelle Schmidig, 56, Ordnungscoach aus Kriens, provokativ die Frage. Und beantwortete sie auch gleich selber: «Es gibt Gegenstände, die einen in die Vergangenheit ziehen. Sie ziehen uns vom Hier und Jetzt weg. Doch wir sollten im Jetzt leben und agieren.» Um diesem Schritt näher zu kommen, helfe Entrümpeln. Es könne befreiend sein, Dinge loszulassen, die einen in der Vergangenheit halten. «Wenn man Klarheit in seinem Lebensraum schafft, schafft dass Klarheit und Ordnung in der eigenen Seele.»

Sich selbst wieder spüren
13 Jahre lang war Michelle Schmidig als Haushelferin tätig. Irgendwann kam in ihr der Wunsch hoch, den Menschen viel grundsätzlicher zu helfen. Doch wie? Sie fiel in eine Krise, fing an aufzuräumen. Systematisch. Davon erzählte sie ihren Bekannten, die daheim gerne auch mehr Ordnung gehabt hätten. Michelle Schmidig bot ihnen an, sie beim Aufräumen zu unterstützen. «Ich habe selten so glückliche Menschen erlebt wie nach dem Aufräumprozess», erinnert sie sich. «Sie sind erleichtert, fühlen sich klar, sie spüren sich selbst wieder. Hat man daheim zu viel Gerümpel angestaut, legt sich dieser wie grauer Nebel über einen, macht einen lethargisch, manchmal gar deprimiert. Ist er weg, schafft man Platz, man ist wieder im Hier und Jetzt.»

Erinnerungsgegenstände zum Schluss
Da war es nur logisch, dass sie im Herbst 2019 eine Ausbildung zum Aufräumcoach machte. Ihr Credo: «Es soll daheim nicht aussehen wie im Wohnkatalog. Es geht darum, dass Gegenstände einen fixen Platz zur Aufbewahrung bekommen.» Manche Menschen seien in dieser Hinsicht detailverliebter, andere grosszügiger. Für den einen kann es genügen, Dokumente in einer Box zu verstauen. Andere benötigen mehr Klarheit und sortieren ihre Dokumente in Hängeregistern nach Thema oder ordnen sie nach dem Alphabet. «Das Schwierigste beim Aufräumen ist der Umgang mit Erinnerungsgegenständen», weiss Michelle Schmidig. Sie rät daher, nicht mit dem Ordnen von emotionalen Dingen zu beginnen. «Man sollte zuerst lieber mit dem Medizinschank oder dem Badezimmer starten als mit dem Estrich, wo all die Erinnerungen lagern.»

Je öfter man sich überwindet, desto mehr «kann der Aufräummuskel trainiert» werden. So nennt es Michelle Schmidig mit einem Augenzwinkern. Mit dem Aufräummuskel funktioniere es wie mit jedem anderen Muskel: Je öfter man aufräumt, desto mehr Gefühl bekommt man dafür, welche Dinge man weggeben und wohin man die Dinge verstauen kann. Diesen Muskel empfiehlt es sich langsam zu trainieren, mit kurzen Zeiteinheiten: 25/5 ist die Devise – 25 Minuten aufräumen, 5 Minuten Pause. Die 30 Minuten können langsam gesteigert werden auf maximal drei Stunden, denn Aufräumen benötigt Konzentration. Ist man zuletzt bei den emotionalen Gegenständen angelangt, empfiehlt Schmidig dafür eine oder mehrere Erinnerungskisten. Fotos, Briefe, die ersten Babyschuhe, all das kann in die Kiste verstaut werden, wo man sie wertschätzen kann. Auch bei emotionalen Gegenständen gilt: Weniger ist mehr!

Dinge loslassen und Gott zulassen
«Dinge loslassen und Gott zulassen», nennt es Michelle Schmidig. «Einfach Vertrauen haben in das, was kommt und was das Leben für mich bereithält.» Mit dem Thema Glauben geht Michelle Schmidig offen um, wie sie sagt. Sie liebe die Verbundenheit mit dem Göttlichen in alltäglichen Dingen und Begegnungen – und beim Beten, Singen und Wirken in der Gemeinschaft.

Und noch ein Tipp zum Schluss: Nach Farben ordnen kann helfen. Egal was. Unlängst ordnete sie mit einer Freundin deren riesige Bibliothek. Einige Bücher wurden weggegeben, die restlichen nach Farben sortiert. «Das war ein grosser Aufwand», sagt sie, der sich gelohnt habe. Die Freundin sage heute, dass es sich in diesem Raum anfühle wie in den Ferien. Und manchmal können auch Dinge in den Fluss kommen, indem man Ordnung herstelle. Wie damals, als Michelle Schmidig einer Familie half, deren Wohnung aufzuräumen, in der sich im Laufe der Jahre vieles angestaut hatte. Kurz darauf erhielt die Familie die Zusage für eine neue Wohnung.

Carmen Schirm-Gasser

Michelle Schmidig, www.klarheit-und-ordnung.ch

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