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«… dann wird die Kirche überflüssig»

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23.05.2016
Für die Herausforderungen der Zukunft muss die Kirche Antworten anbieten, mehr Profil zeigen. Sonst wird sie überflüssig, meint Andreas M. Walker von swissfuture.

In der aktuellen Publikation mit dem Titel «Zukunft der Religion» setzt sich swissfuture, die Schweizerische Vereinigung für Zukunftsforschung, mit der von ihr erstellten Studie «Werte-wandel in der Schweiz 2030» auseinander. Andreas M. Walker, Co-Präsident von swissfu-ture, geht dabei den gesellschaftlichen Megatrends wie Individualisierung, Pluralisierung und Säkularisierung nach und der Frage, welche Auswirkungen der allgemeine Werte-wandel für die Zukunft der Landeskirchen haben könnte.

Vier Szenarien
In der Studie werden vier mögliche Zukunftsszenarien entwickelt. Im Szenario «Ego» bietet ein globalisierter Arbeitsmarkt genug Chancen für alle. Karriere und Materialismus sind zentrale Werte, die Landeskirchen werden in einer Gesellschaft mit privatisiertem Religionsverständnis verschwinden. Im Szenario «Clash» dominiert Konfron-tation unter verschiedenen Gesellschaftsschichten. Die Landeskirchen existieren zwar noch, aber sie vermögen keine Werte mehr zu prägen. Bei «Balance» hingegen bestimmt die Ausgewogenheit ökonomischer, sozialer und ökologischer Aspekte. Die Kirchen enga-gieren sich im mikrosozialen Umfeld, auch Freikirchen und andere Religionen sind offiziell anerkannt. Im Szenario «Bio Control» schliesslich stehen Sicherheit, Ordnungsliebe und die Vermeidung aller potenziellen Risiken moderner Gesellschaften im Vordergrund. Die Landeskirchen werden weiter Mitglieder verlieren, die reformierte vielleicht weniger in einer Gesellschaft, die durch eine Beherrschung der Triebe und Selbstdisziplinierung und damit eine «säkulare Spielform eines calvinistischen Ideals» geprägt ist.

Wohin entwickelt sich die Gesellschaft? Im Gespräch meint Andreas M. Walker, rückblic-kend auf die Entwicklung der letzten Jahre, sei das «Clash»-Szenario am wahrscheinlich-sten. Es drohe ein Auseinanderfallen der Gesellschaft, in welcher sich Parallelwelten her-ausbilden und sich der Gegensatz zwischen Islam und europäischer Kultur verstärke.

Was ist der Mensch?
Welcher Zukunft sehen die Landeskirchen entgegen? Laut Walker sind diese dabei, eine Chance zu verspielen, da sie zuwenig klar Positionen beziehen in wesentlichen Fragestel-lungen, welche für die Zukunft relevant sind. Es sei Aufgabe der Kirchen, sich aktiv in die Diskussionen einzumischen und klar Stellung zu beziehen. Etwa bei der digitalen Trans-formation der Gesellschaft – Stichwort Industrie 4.0 oder Robotik. Das werfe grosse Fragen auf wie: Was ist der Mensch – nur eine biologische Maschine oder hat er eine Seele? Welches sind seine elementaren menschlichen Bedürfnisse? Walker: «Da muss die Kir-chen Antworten und Lösungen aufzeigen und zwar nicht auf abgehobene Art, sondern ganz konkret.» Oder auch beim Thema Überalterung der Gesellschaft und was das für den Umgang der Generationen untereinander bedeute. Und ebenso beim Thema Migration, dem Umgang mit Hoffnung und Angst. Walker: «Angesichts all dieser anstehenden Pro-bleme ist die Kirche herausgefordert, konkrete Lösungsvorschläge anzubieten und sich klar zu positionieren. Macht sie das nicht, dann wird sie überflüssig.»

Fataler Wertepluralismus
Gerade hinsichtlich einer klaren Positionierung konstatiert Walker Probleme bei der refor-mierten Kirche mit ihrem Wertepluralismus, «Wertepluralismus ist in einer explizit werte-pluralistischen Gesellschaft eben keine Positionierung», so der Co-Präsident von swissfu-ture. Das wertpluralistisch Unverbindliche sei heute quasi normal und somit für niemanden interessant. Ändere die Kirche sich nicht, so werde man sich bald einmal die Frage stellen: Wofür braucht es die Kirchen noch?

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kir-chenbote» und «ref.ch».

Stefan Schneiter/ reformiert. / 23. Mai 2016

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